Bund und Länder wollen Planung und Genehmigung beschleunigen. Ein schnelles und schlankes Verfahren zur Flächenausweisung und Bauleitplanung soll kommen. (c) proplanta
Unter anderem sollen bei der anstehenden großen Novelle des Baugesetzbuchs baurechtliche Hemmnisse beim Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik (PV) beseitigt werden. Dazu will der Bund ein eigenes, schnelles und schlankes Verfahren zur Flächenausweisung und Bauleitplanung schaffen.
Vereinfachen will man auf der Ebene der Länder die baurechtlichen Genehmigungsverfahren, die Freiflächen-PV-Anlagen im Anschluss an die Flächenausweisung durchlaufen müssen. Begründet wird das damit, dass diese Anlagen baurechtlich wenig komplex seien. Dazu sollen entweder die notwendigen Änderungen auf der Ebene der Bauleitplanung erfolgen oder Freiflächen-PVA-Anlagen als eigene Kategorie mit einem vereinfachten Prüfungsaufwand in den Landbauordnungen aufgeführt werden.
Entschädigungspflichtige Duldungspflicht
Ein Hemmnis für den beschleunigten Ausbau der Energieinfrastruktur sehen Bund und Länder in Duldungspflichten der Grundstückseigentümer, die oft mühsam durchgesetzt werden müssten. Der Bund will daher gesetzlich regeln, dass die Eigentümer verpflichtet werden, ein Betreten ihres Grundstückes zu dulden.
Einführen will der Bund außerdem eine entschädigungspflichtige Duldungspflicht für das Anbringen und Verlegen von Leitungen zum Anschluss von Erneuerbare Energie-Anlagen an das allgemeine Stromversorgungs- und Wärmenetz, wie sie bereits beim Solarpakt I vorgesehen ist. Dabei will man sicherstellen, dass Vorhaben nicht durch langwierige Verhandlungen zur Höhe der Entschädigung verzögert werden.
Fristverkürzung für Windenergieanlagen
Darüber hinaus haben sich Bund und Länder auf eine Reihe weiterer Maßnahmen verständigt. Dazu zählen neue Fristverkürzungsregelungen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen und im Verkehrsbereich. Erleichtert werden soll die Bereitstellung von Umwelt- und Artenschutzdaten im Rahmen von Genehmigungsverfahren. Dazu will der Bund noch in diesem Jahr ein digitales Portal für Umweltdaten einrichten.
Um auf vorhandene Daten zurückgreifen zu können, will der Bund ein bundesweites Umweltdatenkataster und eine bundesweite Gutachtendatenbank schaffen. Erleichterungen soll es auch für Änderungsgenehmigungsverfahren für Windenergieanlagen geben. Bei Vorhaben, für die eine Genehmigung wahrscheinlich ist, soll ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn bereits vor Abschuss des Verfahrens ermöglicht werden.
Baugenehmigung ohne vorherige Bauleitplanung
Der Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG) äußerte Bedenken gegen das Vorhaben, für Städte und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten im Baugesetzbuch eine Ausnahmeregelung bis Ende 2026 zu schaffen, die eine Baugenehmigung ohne vorherige Bauleitplanung ermöglichen soll.
BLG-Geschäftsführer Udo Hemmerling warnte gegenüber AGRA-EUROPE davor, dass die geplante baurechtliche Ausnahmeregelung für Wohnbauten zu einem „exzessiven Flächenverbrauch“ führen könne. „Ein flächensparendes Bauen und agrarstrukturelle Belange müssen weiterhin beachtet werden", betonte Hemmerling.
Neue Ära rücksichtsloser Naturzerstörung
Mit scharfer Kritik reagierten Umweltverbände auf den „Pakt für Planungsbeschleunigung“. Aus Sicht des Präsidenten vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), Jörg-Andreas Krüger, wird die angestrebte Verkürzung von Planungs- und Genehmigungsverfahren durch einen einseitigen Abbau von Umweltstandards erkauft. Krüger hielt Bund und Ländern vor, sie setzten mit ihren Beschlüssen viele Errungenschaften des Umweltschutzes der letzten Jahrzehnte aufs Spiel, indem Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfungen abgeschafft werden sollten.
Geschwindigkeit bei der Planung und Genehmigung werde jedoch aktuell vor allem in unterbesetzten Verwaltungen und Gerichten verloren „und nicht durch das Abholzen von Wäldern gewonnen.“ „Das kostet Akzeptanz vor Ort und ebnet den Weg in eine neue Ära rücksichtsloser Naturzerstörung - auch zugunsten fossiler Infrastruktur”, warnte Krüger.
Schub für umweltschädliches Bauen
Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, warf Bund und Ländern vor, sie hätten den Naturschutz offenbar abgeschrieben. Nach Einschätzung von Bandt wird mit einem Teil der Maßnahmen vor allem klima- und umweltschädliches Bauen beschleunigt.
Dagegen bleibe die dringend notwendige Beschleunigung für den Naturschutz und den naturbasierten Klimaschutz aus. Selbst positive Errungenschaften wie die Vereinbarungen zum Personalaufbau in den zuständigen Behörden, zur Datenzusammenführung und zur Vereinheitlichung der Abläufe beim Artenschutz drohten sich so ins Negative zu verkehren. Der BUND-Vorsitzende befürchtet rechtswidrige Genehmigungen und weitere Verzögerungen bei der dringend notwendigen Neugestaltung der Wirtschaft.
Verbandsklagerecht für Umweltverbände bleibt
Die Grünen-Bundesminister Steffi Lemke und Dr. Robert Habeck wiesen die Vorwürfe zurück. „Wir müssen und wollen Verfahren zur Planung, Genehmigung und Umsetzung von wichtigen Vorhaben in Deutschland beschleunigen, um unser Land zu modernisieren und die Transformation zur Klimaneutralität erfolgreich zu gestalten“, so Lemke und Habeck in einer gemeinsamen Erklärung. Die Langsamkeit sei ein Investitionshemmnis.
„Nur wenn Deutschland schneller wird, bleiben wir wettbewerbsfähig“, betonten die Grünen-Politiker. Mit dem Pakt sollten Verwaltungs- und Beteiligungsprozesse umfassend digitalisiert werden; Erhebung, Bewertung und Zugang von Umweltdaten würden vereinheitlicht und erleichtert; Möglichkeiten zur gezielten Verkürzung von Verfahren würden überall dort genutzt, wo dies zweckmäßig sei.
Rechtliche Grenzen und demokratische Beteiligungsrechte werden dabei selbstverständlich respektiert, versicherten die Lemke und Habeck. Aus ihrer Sicht ist es besonders wichtig, dass die grundsätzlichen Möglichkeiten des Rechtsschutzes weiterhin gelten sollen, etwa das Verbandsklagerecht für Umweltverbände. Bei der Umsetzung der Beschlüsse werde man darauf achten, „dass Transparenz und Rechtsschutz gewahrt sowie Umwelt- und Naturschutzstandards nicht gesenkt werden“.