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16.07.2016 | 11:13 | Freihandelsabkommen 

Verhandlungen zu TTIP am Scheideweg

Brüssel - Mehr Wachstum, mehr Wohlstand, mehr Jobs: Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP sollte eigentlich schnell zum neuen Motor für die europäische Wirtschaft werden.

Freihandel mit den USA
War das der Auftakt zum Endspurt? Nach den jüngsten Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP geben sich die Chefunterhändler kämpferisch. Wieder einmal werden aber große Differenzen deutlich. Die USA deuten an, dass das Brexit-Referendum die EU-Position schwächt. (c) proplanta
Aber die Gespräche mit den USA gestalten sich äußerst schwierig - auch wegen des Widerstandes von Umwelt und Verbraucherschützern. An diesem Freitag endete die 14. Verhandlungsrunde in Brüssel - die erste nach dem Brexit-Referendum. Fragen und Antworten zum aktuellen Stand der Dinge im Überblick:

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat Anfang der Woche kritisiert, dass über TTIP auch die deutsche Energiewende ausgebremst werden könnte. Ist an den Vorwürfen etwas dran?

Nach dem Inhalt der am Donnerstag veröffentlichten Verhandlungspapiere der EU-Kommission ist das eher unwahrscheinlich. Dort wird deutlich gemacht, dass Staaten aus europäischer Sicht auch weiterhin die Möglichkeit haben sollten, aktive Energiepolitik zu betreiben - zum Beispiel um die Umwelt zu schützen oder die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Die EU-Vorschläge sehen damit lediglich im Grundsatz vor, dass Anbieter von Kohle- oder Atomenergie den Anbietern von Erneuerbaren Energien gleichgestellt sein müssen. Indem sie sich auf die Möglichkeit von Ausnahmen beruft, könnte die Bundesregierung auch weiterhin «grüne» Stromproduzenten fördern.

Wie reagiert Brüssel auf die andauernde Kritik?

Die EU-Kommission versucht bereits seit einiger Zeit, die Verhandlungen deutlich transparenter zu führen. Die Veröffentlichung der europäischen TTIP-Vorschläge zum Thema Energiemarkt ist dafür ein Beispiel. Neben diesem Dokument wurden am Donnerstag noch einige andere ins Internet gestellt. In den Papieren geht es zum Beispiel darum, wie sich die EU künftig gemeinsame Regeln für Kosmetika, Medizinprodukte, Autos und Chemikalien vorstellt.

Was ist der Stand der Verhandlungen?

Wie bei vielen anderen Verhandlungen gilt: «Nichts ist vereinbart, bis alles vereinbart ist.» Nach der jetzt abgeschlossenen Gesprächsrunde sollen Dokumente erstellt werden, die den aktuellen Verhandlungsstand zu den einzelnen Unterpunkten des geplanten Abkommens zusammenfassen. An etlichen Stellen wird es allerdings noch keine gemeinsamen Vorschläge geben, sondern nur eine Auflistung der unterschiedlichen Positionen.

Wie geht es dann weiter?

Über die sogenannten konsolidierten Texte muss dann auf politischer Ebene diskutiert werden. An den Regierungen der EU-Staaten und an der Regierung in Washington ist es, den Rahmen für mögliche Kompromisse vorzugeben. Die zuständigen Fachminister der EU-Staaten wollen sich so schnell wie möglich nach der politischen Sommerpause zusammensetzen.

Hat das Brexit-Referendum Auswirkungen auf die Verhandlungen?

Die Verhandlungsposition der EU ist auf jeden Fall nicht besser geworden. US-Chefunterhändler Daniel Mullaney merkte am Freitag an, dass ein Austritt Großbritanniens aus der EU den Wert des EU-Marktes schmälern würde - unter anderem anderem, weil das Vereinigte Königreich für die USA den größten Dienstleistungsmarkt darstelle.

Wo liegen die Positionen zwischen der EU und den USA besonders weit auseinander?

Ein ganz heikler Punkt sind Schiedsgerichtsverfahren. Vor allem europäische TTIP-Gegner befürchten, dass internationale Großkonzerne noch mehr Macht bekommen könnten, indem sie über TTIP das Recht erhalten, vor privaten Schiedsgerichten gegen Staaten zu klagen. Die auf europäischer Seite für die Verhandlungsführung zuständige EU-Kommission erarbeitete deswegen extra ein Konzept für eine Reform des aktuellen Schiedsgerichtssystems. Es soll mehr normalen Gerichten entsprechen - mit Richtern, die von den Staaten ernannt werden.

Die US-Seite hält eine solche Reform jedoch für überflüssig. In Washington wird darauf verwiesen, dass der amerikanische Staat bislang noch kein einziges Mal ein Verfahren vor einem privaten Schiedsgericht verloren habe. Zudem wird provokativ gefragt, warum es gerechter sein sollte, wenn künftig ausschließlich eine Streitpartei - nämlich die Staatsseite - die Richter aussucht. Bei den herkömmlichen Schiedsgerichten stellten schließlich beide Seiten die Richter.

US-Verhandlungsführer Mullaney äußerte sich am Freitag vorsichtig optimistisch, dass es einen Kompromiss geben könnte. Beide Seiten verfolgten schließlich grundsätzlich die gleichen Ziele, sagte er.

Gibt es weitere Bereiche, in denen die Abschlussverhandlungen sehr schwer werden könnten?

Neben den Schiedsgerichten sind unter anderem die Liberalisierung des Dienstleistungssektors und die öffentlichen Beschaffungsmärkte ein Thema. Muss ein US-amerikanischer Bundesstaat künftig einem europäischen Unternehmen einen Auftrag erteilen, wenn dieses zum Beispiel für den Bau einer neuen U-Bahn ein besseres Angebot macht als ein amerikanisches Unternehmen? Und dürfen US-Labors künftig Produkttests für den EU-Markt machen? Fragen dieser Art gilt es klar zu beantworten.

Kann es dennoch bis Ende 2016 die erhoffte Grundsatzeinigung geben?

Das gilt als höchst fraglich - vor allem, weil in den USA die Präsidentschaftswahlen anstehen. In der EU-Kommission erwartet kaum jemand, dass die in Washington regierenden Demokraten im Wahlkampf Zugeständnisse machen oder Kompromisse eingehen, die von den Republikanern als Schwäche gedeutet werden könnten.
dpa
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