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22.09.2008 | 04:33 | Milchwirtschaft 

Ende der Milchquoten: Deutsche Bauern sollen Hilfsfonds bekommen

Annecy - Die deutschen Milchbauern können vor dem geplanten Auslaufen der Milchquote auf Hilfsgelder in Millionenhöhe hoffen.

Milchkanne
(c) proplanta
Zu Beginn eines Treffens der europäischen Landwirtschaftsminister zeigte sich EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel am Sonntag im französischen Annecy kompromissbereit. «Ich schlage die Tür nicht zu», sagte sie. «Wir sollten darüber sprechen, ob wir einen Weg finden können, Betrieben zum Beispiel in Bergregionen zu helfen.» Es könne aber keinesfalls zusätzliche Gelder geben.

Eine Möglichkeit sei deshalb, Gelder aus der geplanten höheren Umverteilung der Direktbeihilfen in den Topf für Projekte zur ländlichen Entwicklung zu nehmen. «Damit wäre ein solcher Milchfonds mitfinanzierbar», sagte Landwirtschafts-Staatssekretär Gert Lindemann. Auch die übrigen EU-Mitgliedstaaten hätten die Forderung Deutschlands «in der Sache anerkannt». Der Umbau ist Grundlage der geplanten Korrektur («Gesundheitscheck») der EU-Agrarreform von 2003. Die Agrarminister wollen bis Dienstag Kompromisse ausloten, um das Programm auf ihrem Novemberrat in Brüssel unter Dach und Fach bringen zu können.

Frankreich hat bis Ende des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft inne und leitet damit die Verhandlungen. Mit dem «Gesundheitscheck» will Fischer Boel den 2003 eingeschlagenen Weg fortsetzen und die Bauernbeihilfen zugunsten von Projekten für die ländliche Entwicklung weiter kürzen. Europas Steuerzahler bringen allein in diesem Jahr insgesamt gut 55 Milliarden Euro für die Landwirtschaft auf. Fischer Boel will, dass ein größerer Anteil in die Entwicklung neuer Wirtschaftszweige in ländlichen Regionen fließt, in die Erhaltung von Kulturlandschaften angesichts des Klimawandels oder in Umweltschutzprojekte.

Angesichts der gestiegenen Preise für Nahrungsmittel sollen sich besonders die Großbauern mehr am Markt orientieren. Beschlossen ist als Folge der Agrarreform bereits jetzt die Umschichtung von fünf Prozent der Direktbeihilfen bis 2013. Fischer Boel will den Anteil nicht nur erhöhen, sondern größere Betriebe auch mehr belasten als kleinere. «Die großen Jungs müssen auch mehr zahlen», sagte sie. Hintergrund ist, dass ein Betrieb eine umso höhere Prämie erhält, je größer er ist. Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam kritisieren das System der «Flächenprämien», das große «Agrarfabriken» begünstige.

Dagegen warnt Deutschland vor einer übermäßigen Belastung der ostdeutschen Großbetriebe, die aus den ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) hervorgegangen sind. Der Bundesregierung zufolge drohen den deutschen Landwirten Einbußen von mehr als 400 Millionen Euro im Jahr. Berlin hat deshalb ein Entgegenkommen von Schutzmaßnahmen für den deutschen Milchsektor abhängig gemacht. Damit sollen die Produzenten fitgemacht werden für das für 2015 vorgesehene Auslaufen der Milchquote, mit der die EU seit 1984 versucht, Überschüsse («Milchseen») zu vermeiden.

Fischer Boel sieht für europäische Milchprodukte besonders in Asien große Absatzchancen. Von 2009 bis 2013 soll die Quote bereits jährlich um je ein Prozent steigen. Während Länder wie Polen und die Niederlande eine noch stärkere Anhebung fordern, befürchten die deutschen Milchproduzenten einen zu starken Druck auf die Preise. Die Geschäftsführerin des European Milk Board, Sonja Korspeter, warnte vor dem Absenken und dem Auslaufen der Quote. «Man muss immer genau schauen, wie sich der Markt entwickelt», sagte sie. «Wir brauchen grundsätzlich die Mengenregulierung.» Ein «Schutzprogramm» sei deshalb «gar nicht aktuell». (dpa)
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