Das schreiben der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV), Friedhelm Decker, und der Präsident des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauern, Christoph Nagelschmitz, in einem Brief an Bundesarbeitsminister Olaf Scholz und Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Bis zu einem Drittel der angeforderten Saisonarbeitskräfte hätten die Arbeit nicht angetreten, in einigen Betrieben konnte die Ernte nicht komplett eingebracht werden, beklagen die Präsidenten.
Die Ursachen für das Fehlen der Helfer sind nach Auffassung von Decker und Nagelschmitz vielfältig: Viele polnische Staatsangehörige nutzten die Möglichkeit, im benachbarten EU-Ausland ganzjährig zu arbeiten. Auch der wirtschaftliche Aufschwung in Polen trage zum Fehlen der Erdbeerpflücker bei, weil viele polnische Arbeitgeber sich auf Grund voller Auftragsbücher weigerten, ihre Mitarbeiter für einen mehrwöchigen Ernteaufenthalt in Deutschland freizustellen. Durch die Schwäche des Euro gegenüber dem polnischen Zloty sei die Attraktivität einer Tätigkeit in Deutschland stark gesunken. Schließlich befürchteten viele Polen auf Grund der Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in das Heimatland steuerliche Nachteile und seien deshalb nicht mehr bereit in Deutschland zu arbeiten, obwohl der deutsche Arbeitgeber in der Regel sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitsgeberanteil zur Sozialversicherung trage.
Nachdrücklich machen Decker und Nagelschmitz darauf aufmerksam, dass trotz intensiver Bemühungen der Agenturen für Arbeit und der ARGEN und einer guten Zusammenarbeit mit den berufsständischen Organisationen es nicht gelinge, arbeitswillige inländische Arbeitslose in ausreichender Anzahl in die Betriebe zu vermitteln und so Ersatz für die ausbleibenden osteuropäischen
Erntehelfer zu finden. Die deutsche Landwirtschaft und der deutsche Gartenbau benötigten dringend langfristige Sicherheit für das Einbringen ihrer Ernte, schreiben die beiden Präsidenten.
Eine Lösung könne nur in einem von der Bundesregierung positiv begleitenden Anwerben von europäischen Arbeitskräften außerhalb der EU liegen. Hierfür seien schnellstmöglich neue Vermittlungsabsprachen mit Mitgliedstaaten außerhalb der EU, zum Beispiel mit der Ukraine, mit Weißrussland oder Moldavien, erforderlich. Ein weiterer Schritt zur Sicherung der Existenz für Sonderkulturbetriebe sind nach Ansicht von Decker und Nagelschmitz die Verlängerung der zulässigen Beschäftigungsdauer einer Saisonarbeitskraft von derzeit maximal vier Monate auf beispielsweise neun Monate.
„Wenn nicht innerhalb kürzester Zeit weitere Vermittlungsabsprachen getroffen werden, ist zu befürchten, dass der Sonderkulturanbau in Deutschland massiv eingeschränkt wird und damit auch Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, im Gartenbau, in der Zulieferindustrie sowie in der Vermarktung und Verarbeitung wegfallen werden“, schreiben die Präsidenten. Darüber hinaus wären auch die deutschen Verbraucher betroffen, denen nicht mehr in ausreichendem Umfang qualitative hochwertige Produkte aus dem regionalen Anbau in Deutschland zur Verfügung ständen. (PD)