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21.11.2015 | 02:25 | Nach Abgastest-Skandal 

Erste Sparansätze bei VW

Wolfsburg - «Dieselgate» zwingt Volkswagen zur Bescheidenheit. Nur 208 Sekunden braucht Konzernchef Matthias Müller am Freitag, um die mit Spannung erwarteten Sparpläne von Europas größtem Autobauer zu verkünden.

Sparpläne bei VW
Früher war in Wolfsburg alles anders: Wenn Volkswagen Ende November die Investitionen für die Zukunft festzurrte, wurden großzügig die Milliarden verteilt. In der Krise müht sich Konzernchef Müller nun um Sparansätze. Ein Kompass aus der Krise ist das aber nicht. (c) proplanta
Große Zahlen sind in seiner kurzen Rede, die auf einer einzigen DIN-A4-Seite Platz findet, rar.

Dafür ist die Botschaft klar. VW muss wegen der Milliardenkosten für die Abgas-Krise zwar den Gürtel enger schnallen. Aber: «Was wir definitiv nicht tun werden, ist, auf Kosten der Zukunft zu sparen.»

Sparen und gleichzeitig investieren - in Zahlen drückt sich die Quadratur des Kreises in einer Rücknahme der Sachinvestitionen um eine Milliarde Euro aus. 2016 stehen dafür nur noch 12 Milliarden Euro zur Verfügung. Rund die Hälfte davon solle in die 28 deutschen Standorte fließen - laut Müller ein Bekenntnis zu den heimischen Werken und zur Industrienation Deutschland. Dazu passt auch seine wiederholte Ansage, «alles» dafür tun zu wollen, ohne Jobabbau bei der Stammbelegschaft durch die Krise kommen zu wollen.

«In den vergangenen Jahren hat Ihnen der Volkswagen-Konzern an dieser Stelle Investitionen in Rekordhöhe vorgestellt. Heute ist das aus gutem Grund etwas anders», betont Müller - und kündigt eine «Fahrt auf Sicht» an. Zuvor hat er genau diese Botschaft auch dem Aufsichtsrat erläutert. Knapp dreieinhalb Stunden dauert die Sitzung an diesem Freitag - verglichen mit anderen Krisensitzungen der vergangenen Wochen ein kurzes Intermezzo.

Normalerweise stellt VW im Herbst ein 5-Jahres-Investitionsprogramm zusammen. Wegen der hohen Risiken durch den Skandal um manipulierte Abgastests und falsche CO2-Angaben aber zurrt der Konzern dieses Mal nur ein Paket für 2016 fest - das nennt man dann «auf Sicht fahren». Die Formulierung erinnert stark an gleichlautende Aussagen der Branche 2008/2009, als die Finanz- zu einer Wirtschaftskrise wurde und auch der Autoabsatz einbrach.

Das «Dieselgate» aber hat sich VW selbst eingebrockt. Ein Ende dieser schwersten Krise in der Konzerngeschichte ist auch zwei Monate nach dem Ausbruch noch nicht absehbar. Reicht die nun eingesparte Milliarde pro Jahr wirklich aus, um die Kosten des millionenfachen Betrugs abzufedern? Ist das alles? Oder kommt das dicke Ende noch?

Rund 100 Millionen Euro könnten eingespart werden, weil das geplante Designzentrum in Wolfsburg zunächst nicht gebaut werde, erklärt Müller. In Mexiko solle der Bau einer Lackiererei überprüft werden. Und der bereits angekündigte Elektro-Phaeton werde verschoben.

Im Gegenzug kündigt der neue VW-Chef aber sogleich Mehrausgaben für alternative Antriebe von rund 100 Millionen Euro an: «Wir werden nicht den Fehler machen und uns um unsere Zukunft sparen.» Vor allem die zügige Weiterentwicklung elektrischer Antriebe bei den Marken Volkswagen Pkw, Audi und Porsche stehe im Vordergrund.

Welches Signal also sendet VW? «Ein Befreiungsschlag ist das nicht», meint jedenfalls der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen: «Müller hat bisher noch keinen vernünftigen Plan vorgelegt. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes.» VW müsse mutiger und nachhaltiger sparen.

Aus dem 20-köpfigen Aufsichtsrat klingt das - bei gleicher Botschaft - etwas anders. Letztlich sei die Zeit noch nicht reif für konkretere Sparansätze. Die Taktik laute: Sobald konkrete Zahlen für Kosten auf dem Tisch liegen, werde neu geschaut, was «gestrichen oder geschoben» werden kann oder muss. Wegen der weltweit drohenden Prozesslawine und Nachrüstungskosten sei nun zunächst Reagieren statt Agieren angesagt.

«Der Vorstand wird dem Aufsichtsrat regelmäßig über die Konkretisierungen der Investitionsplanung berichten», sagt Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD). «Damit ist klar, dass die Investitions- oder besser gesagt die Sparplanung ab sofort und auf zunächst ungeklärte Zeit fester Bestandteil der Aufsichtsratssitzungen ist», beschreibt ein VW-Insider aus dem Umfeld der Kapitalseite die «neue Bescheidenheit».

Denn eines ist auch den Akteuren in Wolfsburg klar: Der Diesel-Skandal wird teuer - richtig teuer. Bisher hat der Konzern dafür 6,7 Milliarden Euro zurückgelegt, dazu kommen geschätzte Kosten von zwei Milliarden Euro für die falschen CO2-Angaben. Noch nicht enthalten sind Kosten etwa für mögliche Strafzahlungen. Branchenschätzungen zufolge könnte der Skandal VW 30 bis 40 Milliarden Euro kosten - manche gehen sogar noch darüber hinaus.

Aber wo will VW sparen, ohne dass es richtig wehtut? Verringern wird der Autobauer wohl die Variantenvielfalt der Modelle. Osterloh sagte kürzlich der dpa: «Ich weiß nicht, ob wir x Motorvarianten brauchen, x Getriebevarianten, x Gelenkwellen. Wenn wir das reduzieren, dann spart das bares Geld.» Auch kündbare Verträge mit den Leiharbeitern könnten eine kurzfristig nutzbare Stellschraube sein.

Eine Unbekannte in der Krisengleichung bleibt der Absatz: Bislang haben die Zahlen nicht stärker abgenommen. Zwar muss VW Rückgänge verzeichnen, dramatisch fallen diese aber nicht aus. Die Rechnung könnte allerdings auch erst in ein paar Monaten präsentiert werden - denn zwischen Bestellung und Auslieferung vergeht oft einige Zeit.
dpa
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