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14.09.2023 | 14:49 | Schwächelnde Konjunktur 

EZB erhöht Leitzins zum zehnten Mal in Folge

Frankfurt/Main - Die Euro-Währungshüter betonen trotz wachsender Sorgen um die Konjunktur mit der zehnten Zinserhöhung in Folge ihre Entschlossenheit im Kampf gegen die hartnäckige Inflation.

Geldpolitik im Euroraum
Die Wirtschaft im Euroraum schwächelt, die Aussichten trüben sich ein. Das hält die EZB nicht davon ab, die Zinsen weiter anzuheben: Zu groß sind die Sorgen, dass sich die hohe Inflation verfestigt. (c) proplanta
Mit den Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Donnerstag könnte jedoch der Zinsgipfel im Euroraum erreicht sein.

Auf die Frage, ob die Tür für weitere Anhebungen offen bleibe, verwies EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf die im obersten Entscheidungsgremium der Notenbank abgestimmte Erklärung: «Auf Grundlage seiner aktuellen Beurteilung ist der EZB-Rat der Auffassung, dass die EZB-Leitzinsen ein Niveau erreicht haben, das - wenn es lange genug aufrechterhalten wird - einen erheblichen Beitrag zu einer zeitnahen Rückkehr der Inflation auf den Zielwert leisten wird.»

Der EZB-Rat werde dafür sorgen, dass die Leitzinsen «so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden», betonte Lagarde. Die Französin sagte aber auch: «Wir wollen damit nicht sagen, dass wir jetzt den Höhepunkt erreicht haben.»

Einlagenzins so hoch wie nie

Den Leitzins erhöhte die EZB um weitere 0,25 Punkte auf 4,5 Prozent. So hoch war der Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB besorgen können, zuletzt im August 2001. Der Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, erreicht mit nun 4,0 Prozent das höchste Niveau seit Bestehen der Währungsunion 1999. Sparerinnen und Sparer dürfen auf bessere Angebote von Banken und Sparkassen hoffen. Kredite könnten sich dagegen weiter verteuern.

Einige Ratsmitglieder hätten lieber eine Pause eingelegt, sagte Lagarde. Letztlich gab es ihr zufolge «aber eine solide Mehrheit, die mit der von uns getroffenen Entscheidung einverstanden war».

EZB: Inflation wird langsamer zurückgehen

Mit der beispiellosen Serie von Zinserhöhungen seit Juli 2022 stemmt sich die EZB gegen die hartnäckig hohe Teuerung. Mittelfristig strebt die EZB stabile Preise bei einer Inflationsrate von 2,0 Prozent an. Im August lagen die Verbraucherpreise im Währungsraum einer Schätzung zufolge wie im Juli um 5,3 Prozent über Vorjahresniveau.

Für dieses Jahr sagt die EZB inzwischen eine Teuerungsrate von 5,6 (Juni-Prognose: 5,4) Prozent vorher. Für 2024 erwartet die Notenbank ebenfalls eine höhere Rate von 3,2 (Juni: 3,0) Prozent. Für 2025 wird nun mit einer Inflationsrate von 2,1 (2,2) Prozent gerechnet.

Konjunkturschwäche in Deutschland und im Euroraum

Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken kann. Weil teurere Kredite zugleich eine Last für die Wirtschaft sind, waren zuletzt Forderungen nach einer Zinspause lauter geworden.

Europas größte Volkswirtschaft Deutschland war im Winter zwei Quartale in Folge geschrumpft und damit in eine sogenannte technische Rezession gerutscht. Im zweiten Quartal 2023 stagnierte das Bruttoinlandsprodukt. Inflation, stockender Konsum und eine schwächelnde Weltkonjunktur machen der Exportnation Deutschland zu schaffen.

Die erneute Zinserhöhung sei «schlecht für die Wirtschaft», kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. «Die derzeitige Geldpolitik bremst die Nachfrage aus und treibt Deutschland unnötig in eine Rezession.» Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, erklärte: «Für Deutschland ist die Zinserhöhung angesichts der Schrumpfung der Wirtschaft schmerzhaft. Die EZB macht aber Geldpolitik nicht nur für Deutschland, sondern für den Euroraum insgesamt.» Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis warnte jedoch, die EZB dürfe nicht mit weiteren Zinserhöhungen überziehen: «Andernfalls würde sie die Wirtschaft zu stark dämpfen.»

Die EU-Kommission hat gerade erst ihre Prognosen für die Union und für Deutschland nach unten geschraubt. Die Behörde rechnet für die EU und für die Eurozone in diesem Jahr mit 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum. Die deutsche Wirtschaft wird nach dieser Einschätzung 2023 schrumpfen.

Auch die aktuelle EZB-Konjunkturprognose fällt pessimistischer aus als noch im Juni: Die Wirtschaft im Euroraum wird demnach in diesem Jahr um 0,7 Prozent wachsen und damit etwas weniger als die vor drei Monaten vorhergesagten 0,9 Prozent. Auch die Aussichten für das kommende Jahr sind mit 1,0 (Juni-Prognose: 1,5) Prozent gedämpfter.

Lagarde: Müssen Inflation senken

Lagarde verteidigte den geldpolitischen Kurs: «Wir tun das nicht, um eine Rezession zu erzwingen.» Es gehe darum, Preisstabilität zu erreichen. «Wir müssen die Inflation senken.»

Die Inflation bremst den privaten Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur, weil sich die Menschen weniger leisten können. «Auch die Konjunktursorgen im Euroraum lassen sich derzeit am besten über eine weiter sinkende Inflation bekämpfen», argumentierte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Heiner Herkenhoff. «Das wird der Kaufkraft der privaten Haushalte Halt geben und sollte auch die hohe Planungsunsicherheit in den Unternehmen reduzieren.»

Immerhin gab es in den jüngsten Inflationsdaten einen Hoffnungsschimmer: Die Kernteuerung im Euroraum - die Rate ohne schwankungsanfällige Preise etwa für Energie und Lebensmittel - ging von 5,5 Prozent im Juli auf 5,3 Prozent im August zurück. Bei der Kernteuerung erwartet die EZB für das Gesamtjahr 2023 einen Wert von 5,1 Prozent und 2,9 Prozent im Jahr 2024.
dpa
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