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06.09.2023 | 14:57 | Deutsche Wirtschaft 

Konjunktur schwächelt - Bundesbank warnt vor Schwarzmalerei

Berlin / Kiel - Die deutsche Wirtschaft kommt weiter nicht in Schwung - Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sieht deswegen aber keinen Grund für Schwarzmalerei.

Wirtschaftsentwicklung
Bundesbank-Präsident Nagel wirbt dafür, Deutschland trotz der Wirtschaftsprobleme nicht als «kranken Mann Europas» zu betrachten. Doch die Prognosen und Statistiken zeichnen ein angespanntes Bild. (c) imageteam - fotolia.com
Aktuelle Zahlen und Umfragen deuten allerdings noch nicht auf eine Trendwende hin. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) korrigierte am Mittwoch seine Konjunkturprognose für Deutschland nach unten und erwartet nun einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent (Sommerprognose: -0,3 Prozent).

Als Gründe nannten die Kieler am Mittwoch vor allem eine schwache Industriekonjunktur, die Krise in der Bauwirtschaft sowie sinkende Konsumausgaben. Auch die Auftragseingänge in der Industrie zeigten zuletzt nach unten.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gingen sie im Juli um 11,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat zurück - was vor allem Folge eines «sehr umfangreichen Großauftrags» im Juni gewesen sei. Im Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang von Mai bis Juli aber um 3,1 Prozent höher als in den drei Monaten zuvor.

Im Winterhalbjahr war die deutsche Wirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft und damit in eine sogenannte technische Rezession gerutscht. Im zweiten Quartal 2023 stagnierte in Europas größter Volkswirtschaft das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorquartal. Hohe Inflation, stockender Konsum und eine schwächelnde Weltkonjunktur machen der Exportnation Deutschland zu schaffen.

Bundesbank-Präsident Nagel warb trotz der kritischen Lage für Besonnenheit. «Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas. Ich halte das für eine Fehldiagnose, die bei vielen allzu leicht verfängt. Wir sollten da selbstbewusster auftreten», sagte Nagel dem «Handelsblatt».

Verglichen mit anderen Ländern stehe Deutschland insgesamt gut da, nicht nur bei Beschäftigung und Schuldentragfähigkeit: «Wir sollten uns «Made in Germany» nicht kleinreden lassen. Das deutsche Wirtschaftsmodell ist kein Auslaufmodell. Aber es braucht ein Update.» Als Stichworte nannte Nagel Energiewende, Digitalisierung und die Notwendigkeit, internationale Handelsbeziehungen widerstandsfähiger zu machen.

Deutliche Kritik kommt vom Außenhandelsverband BGA. Nach Ansicht von Verbandspräsident Dirk Jandura ist Deutschland derzeit in vielen Bereichen nicht wettbewerbsfähig genug. «Und unsere Politik ist es auch nicht.» Jandura warf der Bundesregierung vor, sich zu wenig für den Abbau der Bürokratie einzusetzen. Zudem sei die deutsche und europäische Politik dabei, mit Zurückhaltung bei neuen Freihandelsabkommen die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu gefährden. «Kanada, Kenia, vielleicht Neuseeland und Chile. Das reicht im Zeitalter der Zeitenwende nicht aus», sagte Jandura.

Für den weiteren Jahresverlauf geht der BGA davon aus, dass der deutsche Außenhandel in seinem Umfang «bestenfalls» stagnieren wird. Im dritten und vierten Quartal könnte es aber auch noch deutlich schlechter werden. Nach einer Verbandsumfrage rechnen mehr als 60 Prozent der Firmen mit einem rückläufigen (57 Prozent) oder stark rückläufigen (6) Außenhandel. «Nur gut jedes zwanzigste Unternehmen geht noch von einer besseren Entwicklung aus», sagte Jandura.

«Deutschland bekommt jetzt auch zu spüren, dass sein altes industrielles Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert», sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. Zudem belaste die Zinswende die Wirtschaft im Inland und über die Exportmärkte. «Die Notenbanken haben erfolgreich Zähne im Kampf gegen die Inflation gezeigt, und in diesem neuen Umfeld muss sich die deutsche Wirtschaft nun behaupten.»

Die Kieler Ökonomen gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft erst zum Jahreswechsel wieder Fahrt aufnehmen wird. Für 2024 rechnet das IfW mittlerweile aber nur noch mit einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 1,3 Prozent (bisher 1,8 Prozent). Die Ökonomen erwarten, dass sich die Inflation im kommenden Jahr deutlich verringern und 2024 sowie 2025 2,1 Prozent betragen wird.

Auch in Europa wird aus Sicht der Industrieländerorganisation OECD die Konjunktur im kommenden Jahr wieder stärker zulegen und die Inflation sinken. Die EU und der Euroraum hätten einen schweren Abschwung nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der Energiekrise abwenden können. Wachstum und sinkende Inflation seien in Sicht. Die kurzfristigen Aussichten seien aber weiterhin von Unsicherheit geprägt, heißt es im jüngsten OECD-Wirtschaftsbericht.
dpa
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