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04.09.2009 | 13:51 | Getreidemarkt  

Ohne starken Export bleibt der Getreidemarkt ohne Impulse

Bremen - Die Zukunft des Landhandels wird nicht nur von nationalen und europäischen Gesetzen bestimmt, sondern steht unter dem besonderen Einfluss weltpolitischer Megatrends.

Landhandel
(c) BVA
Während der Jahrestagung des Bundesverbandes der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA) in Bremen setzten sich die Teilnehmer mit einem breiten Themenspektrum auseinander.
Im Fokus des Interesses stand die abgelaufene Getreideernte in Deutschland, die mit 50 Mio. Tonnen erheblich größer ausfiel als erwartet. Deshalb stellte BVA-Präsident Bruno Fehse vor Journalisten ernüchternd fest: „Deutlich höhere Preise sehe ich in nächster Zeit nicht.“ Während der aktuellen Ernte gab es für einzelne Getreidearten für den Handel praktisch keine Vermarktungsmöglichkeiten. Er empfiehlt deshalb zu warten. Für den Bereich Ölsaaten und Raps sah Bernd Kleeschulte, Vorsitzender des BVA-Ölsaatenausschusses, eine Seitwärtsbewegung beim Preis.

Nur ein starker Export kann angesichts der hohen globalen Weizenernte für Entlastung sorgen. Wie Friedrich Oldekopf (BVA-Getreideausschuss) berichtete, sind seit dem 1. Juli für 700.000 Tonnen Exportlizenzen erteilt worden. „Ich befürchte aber, dass wir nicht das Niveau des letzten Jahres erreichen werden, da die Hauptimportländer selber gute Ernten eingefahren haben. Etwas Entlastung könnte noch der Bioenergiebereich bringen“ so Fehse. Aus der Schwarzmeerregion droht keine Konkurrenz. BVA-Spezialist Alfons Mosel berichtete von niedrigen Durchschnittserträgen (zwei bis drei Tonnen/Hektar). In Deutschland waren es im Schnitt 7,4 Tonnen pro Hektar.

Für Martin Schraa, Bereichsleiter bei der Agrarmarkt-Information GmbH, hängen die Exportaussichten entscheidend von der Währungsentwicklung den Frachtkosten und der Nachfrageentwicklung ab. Er hält aber eine mittelfristige Erholung der Getreidepreise für wahrscheinlich. Weiterhin gelten nämlich die „Megatrends“: Bevölkerungswachstum, Ernährungssicherung, Klimawandel und Energieversorgung.

Niedersachsens Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Friedrich-Otto Ripke, zeigte die Megatrends und die Folgen auf. Ein Ziel müsse es sein, für die wachsende Weltbevölkerung das Bedürfnis nach Nahrung, Energie, Biorohstoffen und Naturschutz gleichermaßen zu befriedigen. Das erreiche man nur durch eine effiziente und nachhaltige Landbewirtschaftung. Seiner Meinung nach ist es notwenig, künftig auch biogene Reststoffe in den Biogasanlagen einzusetzen, um den Flächenverbrauch zu minimieren.

„Mittelfristig könnte das eine Aufhebung des NaWaRo Bonusbedeuten,“ sagte Ripke. Für „existenziell“ hielt er den Einsatz von Grüner Gentechnik. Niedersachsen sei als starkes Veredelungsland zum Beispiel auf den Eiweißträger Soja angewiesen, der derzeit aber nur als GV-Soja importiert werden könne. „Wenn wir weiterhin an unseren strengen Vorgaben festhalten, laufen wir Gefahr, dass uns der Sojamarkt entgleitet und wir als Agrarland Nummer 1 in Europa abgehängt werden.“

Dr. Manfred Kern (Bayer CropScience) sieht die Ernährungssicherung nur durch einen nachhaltigen Pflanzenschutz gewährleistet. „Pflanzenschutzmittel sichern hohe Erträge und Qualitäten; durch sie können knappe bzw. begrenzte Ressourcen wie Fläche, Energie und Kapital effizient genutzt werden“, betonte Dr. Kern. Er forderte eine „zweite grüne Revolution“, um den Bedarf an Nahrung, Futtermitteln und Energiepflanzen zu decken. Dazu sei eine intensive Forschung notwendig.

Dr. Norbert Heim, Geschäftsführer der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) übte Kritik an der EU-Nachhaltigkeitsgesetzgebung: „Der Deutsche Bauernverband und die UFOP setzen sich nachdrücklich dafür ein, dass für die Einhaltung der Nachhaltigkeitsanforderungen gegenüber dem Ersterfasser eine Erklärung des Landwirts ausreicht und eine neue Dokumentationsflut zum Flächennachweis unterbleibt.“ Schließlich lägen die Flächenanträge der Landwirte detailliert den Länderbehörden vor und müssen nicht nochmals bei 2.000 Erfassungsunternehmen gestapelt werden.

Kurzfristig verlangt die Nachhaltigkeits-VO den Aufbau eines Zertifizierungssystems, das ab 1. Juli 2010 die Ausstellung des so genannten Nachhaltigkeits-Nachweises durch die letzte Schnittstelle (Biokraftstoffhersteller) regelt. Als weitere Schnittstellen müssen Ölmühlen und Ersterfassungsunternehme zertifiziert sein. BVA-Vertreter Bernd Kleeschulte hakte ein und forderte von der Politik endlich klare Vorgaben: „Es betrifft die Saat 2010, da müssen wir wissen, woran wir sind.“

Chefanalyst Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank sprach Klartext über die internationale Banken- und Wirtschaftskrise, die seiner Meinung nach noch anhält. „Die Herausforderungen an die internationale Agrar- und Ernährungswirtschaft sind durch die positive konjunkturelle Entwicklung der Schwellenländer mit verändertem Verbraucherverhalten einerseits und dem Thema Biofuels andererseits extrem hoch.“ Hellmeyer geht davon aus, dass der Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft künftig weiter zunimmt. Die Optimierungsprozesse erfordern einen erhöhten Kapitaleinsatz als auch einen verstärkten Managementansatz in der Agrarbranche. (BVA)
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