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22.10.2023 | 03:46 | Nahrungsmittelversorgung 

Ukrainischer Agrarexperte warnt vor globaler Ernährungskrise

Bonn / Kiew - Vor einer globalen Ernährungskrise hat der ukrainische Agrarexperte Dr. Alex Lissitsa erneut gewarnt. Der Chef des Agrarkonzerns IMC und Vorstandsmitglied im Ukrainian Agribusiness Club (UCAB) geht davon aus, dass sich die Ukraine im nächsten Jahr vom Weltweizenmarkt verabschieden wird.

Nahrungsmittelversorgung
Der Chef des Agrarkonzerns IMC, Dr. Alex Lissitsa, geht davon aus, dass sich die Ukraine im nächsten Jahr vom Weltweizenmarkt verabschieden wird. Die FAO verkenne die Lage. (c) proplanta
Nur dank des sehr guten Jahres 2021 und den damals erwirtschafteten finanziellen Reserven hätten die landwirtschaftlichen Betriebe 2022 und 2023 überstanden. Zudem sei das Wetter in den letzten zwei Jahren sehr gut gewesen, berichtete Lissitsa am Donnerstag (19.10.) bei einem Online-Gespräch, das von der Landesgruppe Niedersachsen/Sachsen-Anhalt des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ) organisiert wurde.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) verkennt nach Ansicht des Ukrainers die Lage. Die Weizenfläche in seinem Land zur Ernte 2024 schätzt er auf nur noch 3,0 Mio. Hektar; das sind 55 % weniger als im Vor-Kriegsjahr 2021. Im laufenden Wirtschaftsjahr 2023/24 wird die Ukraine laut Lissitsa voraussichtlich 33,2 Mio. Tonnen Getreide und 7,2 Mio. Tonnen Ölsaaten exportieren und damit 32% beziehungsweise 15% weniger als im Vorjahr.

Produktionskosten bei weitem nicht gedeckt

Laut Angaben des 49-Jährigen decken die aktuellen Erzeugerpreise für Getreide und Ölsaaten die Produktionskosten für die Betriebe in der Ukraine nicht mehr. Zuvor sei das immer der Fall gewesen, selbst in den Jahren der globalen Finanzkrise. Aufgrund der hohen Transport- und Logistikkosten liegen laut Lissitsa die Preise ab Hof aktuell für die Tonne Mais umgerechnet um weit mehr als 100 Euro und für die Tonne Rapssaat um gut 200 Euro unter dem Weltmarktniveau. Auch beim Weizen reichten die Erlöse nicht. Selbst der früher sehr rentable Sonnenblumenanbau ist dem Agrarexperten zufolge in die roten Zahlen gerutscht. Entscheidend seien die Versicherungskosten: „60% von dem, was wir verlieren, geht an internationale Versicherungen“, so Lissitsa.

Nur die größten Betriebe werden überleben

Das UCAB-Vorstandsmitglied rechnet denn auch mit einem starken Strukturwandel in der ukrainischen Landwirtschaft. Von den heutigen Betrieben mit bis zu 500 Hektar dürften nach seiner Einschätzung rund 70% aufgeben; von denen ab 500 bis 2.000 Hektar werde voraussichtlich die Hälfte Pleite gehen. „Nur die größten werden überleben“, prognostiziert der Fachmann, dessen eigenes Unternehmen mit 120.000 Hektar zu den zehn größten Agrarbetrieben in der Ukraine zählt. Die Milchviehhaltung hat er aber „schweren Herzens“ einstellen müssen.

Wir geben nicht auf!

Gefragt nach der aktuellen Lage und den Aussichten für sein Unternehmen betonte Lissitsa: „Wir geben nicht auf!“. So habe man 75 neue Lastkraftwagen gekauft, um den Dieselverbrauch zu senken, und zehn neue Traktoren. Außerdem seien Siloanlagen wieder aufgebaut und Trocknungsanlagen umgebaut worden. „Damit will ich ein Zeichen setzen für die Menschen, die dort leben. Die Menschen bleiben nur da, wenn wir was machen“, erklärte der Unternehmenschef, dessen Betriebe mit ihren Flächen nahe der Grenze zu Weißrussland und Russland angesiedelt sind. Allerdings machte Lissitsa auch klar, dass Unterstützung durch das Ausland notwendig sei. Gebraucht würden finanzielle Hilfen für die Entminung und für Investitionen in die Infrastruktur. Dabei setzt er auf die Europäische Union.
AgE
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