«Auf dem Baum!», sagt die siebenjährige Ela. Zusammen mit ihrer Gruppe erfährt sie, dass es im Frankfurter Stadtwald unter anderem Schleiereulen und Waldkäuze gibt und dass Uhus so groß und stark sind, dass sie sogar Füchse jagen können. Insgesamt rund zwei Stunden dauert die waldpädagogische Führung, zu der die acht Kinder aus Offenbach in den Wald nach Frankfurt gekommen sind.
Hier sollen die Kinder der Natur näher kommen, und zwar nicht nur, indem sie einer Führung lauschen. «Sie sollen selbst aktiv werden und am Ende zum Beispiel wissen, wie sich ein
Käfer auf der Haut anfühlt», sagt Christ. Er will den Stadtkindern vermitteln, warum die Natur schützenswert ist. Dazu lässt er sie Türme aus Stöckchen bauen, Holz sammeln und erklärt, dass daraus Humus wird, wenn es nur lange genug auf dem Waldboden liegt. Und dass Rehe gerne die Spitzen von kleinen Bäumchen abknabbern.
Viele der Kinder verbrächten die meiste Zeit in der Wohnung oder auf der Straße, sagt Christ, der die Fasanerie am Stadtwaldhaus leitet, dem großen Informationszentrum zu dem kommunalen Wald. Mit insgesamt knapp 5.800 Hektar gehört der Stadtwald zu den zehn größten bundesweit. In der Fasanerie werden kranke und verletzte Tiere gepflegt, außerdem gibt es einen Waldladen mit Produkten von Wildtieren, die die
Förster auch jagen. «Trotz der vielen Besucher haben wir einen relativ guten Wildbestand», sagt Christ. Im Wald leben unter anderem Füchse, Fasane, Waschbären,
Wildschweine,
Kaninchen sowie Exemplare von Dam- und Muffelwild.
Der Wald produziere Holz und sei ein Ort, wo Menschen arbeiteten, sagt Christ. Zudem filtere er die
Luft, sorge für frisches Wasser und diene Hunderttausenden Stadtbewohnern als Raum für dringend nötige Erholung. Zum Wandern, Joggen, Radfahren und Reiten gibt es ein insgesamt 530 Kilometer langes Wegenetz, hinzu kommen Waldspielparks und Waldlehrpfade. «Für die Menschen ist der Wald die Lebensgrundlage schlechthin», sagt Christ.
Ein gefragtes Erholungsgebiet für gestresste Städter ist auch der Wiesbadener Stadtwald. Allein ist man dort eher selten - so lange man auf den größeren Wegen bleibt. Alle paar Minuten kommt ein Radfahrer oder Spaziergänger vorbei. An einigen Knotenpunkten wie am Kletterpark auf dem Neroberg oder am Jagdschloss Platte ist an einem sonnigen Nachmittag unter der Woche einiges los. «Dies ist vor allem ein Erholungswald», betont die Wiesbadener Försterin Sabine Rippelbeck. An zweiter Stelle stehe der
Naturschutz und erst danach gehe es um die Einnahmen aus dem Holzverkauf.
Aber die Menschen fühlten sich nicht automatisch wohl im Wald, sagt die Leiterin der Abteilung Landwirtschaft und Forsten im Grünflächenamt der Stadt. «Die Leute müssen den Wald mögen und ihn als angenehm empfinden», betont sie. Dabei könnten ausreichend Bänke an besonders schönen Stellen helfen. «Wir haben oft Anrufe, dass sich Waldbesucher an einer bestimmten Stelle eine Sitzgelegenheit wünschen», sagt Rippelbeck.
Sie findet es auch wichtig, dass bestimmte Flächen im Wald frei gehalten werden, etwa für einen schönen Ausblick auf die Stadt. In der Nähe der Platte hat Windwurf einen solchen Platz geschaffen, Besucher können an schönen Tagen über niedrige Birken hinweg bis in die Pfalz schauen.
Und viele Menschen wollten bei einem Besuch in dem insgesamt 5.600 Hektar großen Stadtwald mit Extra-Angeboten animiert werden - auch Rippelbeck verweist auf die Möglichkeit, Kinder für Pflanzen und Tiere zu begeistern, in dem sie zum Mitmachen angeregt werden. Sehr beliebt bei einem Rundweg am Neroberg ist etwa ein Sandgrube, in der Besucher testen können, wie weit sie springen können. Kleine Schilder neben der Grube zeigen an, was Eichhörnchen, Hirsch oder Hase schaffen.
Auch die «Trimm-Dich-Pfade», die in den 1970er-Jahren aufkamen, erleben nach den Worten von Rippelbeck eine Renaissance. In Wiesbaden-Rambach wird gerade eine Strecke modernisiert - er heißt inzwischen «Waldsportpfad». Auch wenn einige veraltete Übungen nicht mehr dabei sind, es geht um das gleiche wie seit rund 50 Jahren: Joggen und Gymnastik im Wald.
Doch wo viele Menschen sind, gibt es auch Konflikte. Für Rippelbeck sind vor allem Mountainbiker ein Ärgernis, die einfach querfeldein rasen, ebenso wie Müllsünder. Mehrfach seien ganze Sperrmüllladungen im Wald abgestellt worden, zu den Wechselzeiten von Sommer- auf Winterreifen oder umgekehrt landeten stets alte Reifen unter den Bäumen. Auch an den Grillstellen, die kostenlos genutzt werden können, komme die Stadt vor allem nach Wochenenden mit gutem Wetter mit dem Aufräumen kaum hinterher.
Auch der Frankfurter Stadtwald steht unter Stress, wie Christ sagt. So grenzt er im Süden direkt an das stark befahrene Frankfurter Kreuz von A3 und A5 an. Auch mehrere Bahntrassen durchschneiden sein Gebiet. Die Nachbarschaft zum größten deutschen Flughafen ist am Stadtwaldhaus ohnehin nicht zu überhören. Im Minutentakt brausen startende Flugzeuge über die Baumwipfel hinweg, Förster Christ muss deshalb in seinen Erklärungen für die Kinder immer wieder pausieren.
Die Abgase des Verkehrs schadeten den Bäumen. Hinzu kommen aktuell Hitze und Trockenheit, wie der Förster berichtet. Er zeigt den Kindern Eicheln, die schon jetzt zu Boden fallen, halb so groß wie normal und viele Wochen zu früh. Um seine wichtigen Funktionen auch künftig wahrnehmen zu können, dürfe der Wald keinesfalls weiter schrumpfen, sagt Christ.