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30.09.2007 | 07:33 | Arbeitsmarkt 

Viele Firmen holen Arbeitsplätze nach Deutschland zurück

München - Die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland hat sich für viele Firmen nicht gelohnt.

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(c) T.Tulic - fotolia.com
Gerade kleinere Betriebe unterschätzten oft die Probleme, die mit dem Schritt ins Ausland verbunden sei, sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). «Mittel- und langfristig sind nicht nur die Kostenstrukturen wichtig.» Schon der Koordinierungsaufwand sei enorm. «Wenn Sie das nicht im Griff haben, muss der Kostenvorteil schon riesig sein.» Auf lange Sicht könne daher der Standort Deutschland mit der hohen Produktivität, einer hohen Qualifikation der Beschäftigten und der Verlässlichkeit der Zulieferer seine Stärken ausspielen. Das erkennen inzwischen auch immer mehr Firmen. Tausende Betriebe machen die Verlagerung von Produktion ins Ausland rückgängig und holen Beschäftigung nach Deutschland zurück.

Nach Beobachtung des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), das die Entwicklung seit Jahren beobachtet, macht jede vierte bis fünfte Firma die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland meist innerhalb der ersten beiden Jahre desillusioniert wieder rückgängig. Dabei geht es also nicht nur um Einzelfälle: Binnen zwei Jahren kehrten allein in der Metall- und Elektroindustrie 1200 Firmen zurück.

Die Firma Wolf aus der Hallertau in Bayern war einer der Vorreiter und holte bereits vor vier Jahren ihre Solarkollektoren-Produktion nach Mainburg zurück. «Das Motto "Made in Germany" ist für uns zentraler Pfeiler unserer Unternehmensphilosophie», sagt Unternehmenschef Alfred Gaffal. Das Unternehmen hatte bei der Produktion in Tschechien unter Qualitätsproblemen gelitten. Es zeigte sich zudem, dass den niedrigeren Lohnausgaben höhere Kosten für Logistik und die doppelte Infrastruktur gegenüberstanden.

Wolf will nun - und das sei auch ein Bekenntnis zur unternehmerischen Verantwortung - nur noch am deutschen Standort produzieren. «Dies ist nicht leicht bei den hohen Lohnkostenunterschieden zu vielen osteuropäischen Ländern. Mit Automatisierung, Kreativität und Unterstützung von Betriebsrat und Belegschaft lässt sich aber einiges bewegen», sagt Gaffal. Bei der Solarkollektoren-Fertigung setzt Wolf denn auch verstärkt auf den Einsatz eines Roboters. Die Zahl der Beschäftigten ist niedriger als früher in Tschechien.

Unstrittig ist unter Experten, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen im Ausland weitergehen wird - und dass dadurch auch Jobs in Deutschland gesichert werden. Zum einen folgt die Produktion den Märkten. Wenn zum Beispiel China ein immer größerer Absatzmarkt wird, ist es irgendwann auch sinnvoll, dort eine eigene Produktion aufzubauen. Zudem rechnet es sich bei Fertigung mit einem hohen Lohnkostenanteil oft, anderswo zu produzieren. «Die Verlagerung von Arbeitsplätzen ist global gesehen etwas ganz selbstverständliches und wird in den nächsten Jahren auch dauerhaft weiter gehen», sagt Christian Veith, Geschäftsführer bei der Beratungsgesellschaft Boston Consulting. Die Lohnkosten-Differenz zwischen Deutschland und den Niedriglohnländern werde sich so schnell auch nicht signifikant verringern.

Und doch hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass sich die Verlagerung von Produktion ins Ausland eben nicht für jedes Unternehmen lohnt. «Das Verhältnis von Qualität zu Lohnkosten entwickelt sich oft negativ», sagt Veith. Während die Löhne auch in den Niedriglohnländern nach oben gehen, gibt es nach wie vor oft Klagen zum Beispiel über schlechte Qualität, niedrige Produktivität und fehlende Rechtssicherheit. «Es gibt Beispiele, dass Leute mit Begeisterung nach Osteuropa gegangen sind und jetzt zurückkommen, weil sie feststellen, dass die Produktivität dort geringer ist», sagt der frühere Bundespräsident Roman Herzog, der mit seinem Institut die bayerischen Arbeitgeber kritisch begleitet.

Hinzu kommt, dass der Standort Deutschland in den vergangenen Jahren - wohl auch angesichts des Drucks durch die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland - Fortschritte gemacht hat. Auch dank der Lohnzurückhaltung sowie der Reformen in den vergangenen Jahren seien die Lohnstückkosten rückläufig, sagt IW-Direktor Hüther. «Bei den Arbeitskostenrelationen hat sich etwas verändert.» Als Folge haben viele Unternehmen nun ihre Liebe zum Heimatstandort wiederentdeckt.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sieht eine Rückbesinnung auf den Standort Deutschland, weil Faktoren wie hohe Qualität und ein funktionierendes industrielles Netzwerk geschätzt würden. «Es gibt ein neues Selbstbewusstsein in den Betrieben: Wir können hier nicht billig, aber wettbewerbsfähig produzieren», sagt Chefökonom Ralph Wiechers. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) räumt ein, dass sich manche Firmen bei der Verlagerung mit der Kostenrechnung verschätzt hätten. Das Kostenmotiv sei aber meist gar nicht entscheidend, sondern die Präsenz mit einem Standort im Auslandsmarkt, den man erobern wolle. Das Rad der internationalen Arbeitsteilung könne nicht zurückgedreht werden. (dpa)
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