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30.04.2010 | 03:51 | Biolandbau und Fairtrade  

Aktionsplan Welternährung gefordert

Gräfelfing/Mainz - Ein rascher Wechsel in der internationalen Agrarpolitik ist dringend geboten, so das Plädoyer aller Teilnehmer der Tagung „Wie kann Öko + Fair die Welternährung sichern?“ vom 22.04. in München.

Aktionsplan Welternährung
(c) proplanta

„Jedes Jahr verschwindet weltweit in etwa das Äquivalent der landwirtschaftlich genutzten Fläche von Deutschland allein durch Boden- und Wassererosion und steht damit nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung“, erläuterte Dr. Ulrich Hoffmann von der UNCTAD, der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung. Deshalb fordern der Weltladen-Dachverband und Naturland einen Aktionsplan Welternährung, der oberste Priorität bei allen Regierungsentscheidungen haben muss. „Die nötigen Schritte sind bekannt, aber die Zeit rennt uns davon. Wir müssen jetzt den Schalter umlegen und alle möglichen Kräfte für eine nachhaltige, ökologisch orientierte Landwirtschaft nach sozialen und fairen Kriterien einsetzen“, forderte Hans Hohenester, Öko-Bauer und Naturland Präsidiumsvorsitzender am Ende der Tagung.


Sechs Kernforderungen

Naturland und der Weltladen-Dachverband fordern anlässlich der Tagung einen Aktionsplan zur Ernährungssicherung und Ernährungssouveränität, der oberste Priorität auf allen politischen Ebenen haben muss. Sechs Kernforderungen müssen nach Ansicht der beiden Verbände Teil des Aktionsplanes sein:

  • Förderung von Kleinbauern und -bäuerinnen und ihrer Selbstorganisation sowie Förderung der ländlichen Entwicklung, u.a. durch die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Wissensvermittlung und Weiterbildung
  • Förderung des Fairen Handels als konkretes Instrument zur Armutsbekämpfung und Unterstützung kleinbäuerlicher Strukturen
    •    Unterzeichnung des Weltagrarberichts (IAASTD) und aktive Unterstützung seiner Fortschreibung
  • Sofortige und endgültige Abschaffung aller Agrarexportsubventionen und ein Ende der Förderung der Überschussproduktion
  • Bereitstellung von Forschungsgeldern für den Ökologischen Landbau, statt für Agro-Gentechnik, insbesondere in Entwicklungsländern
  • Etablierung sozialer und ökologischer Kriterien für die Verwendung von Agrartreibstoffen und anderen nachwachsenden Rohstoffen. Von einer ungeprüften Beimischungspflicht ist abzusehen. Der Flächenanspruch für Futtermittel, Agrartreibstoffe und nachwachsende Rohstoffe in Drittländern darf nicht zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion gehen.


Öko und Fair mit großem Potenzial

Nach Einschätzung der FAO, der Welternährungsorganisation, können bereits heute über 10 Milliarden Menschen ernährt werden. „Wir haben einen Mangel an Qualität und nicht einen Mangel an Quantität“, fasst Hans Herren, Vize-Präsident des Weltagrarrates, die Situation zusammen. Neben Regierungsversagen in den einzelnen Ländern führen Bodenverarmung, Erosion und Versalzung durch Missmanagement zur Aufgabe von landwirtschaftlichen Flächen für die Produktion von Lebensmitteln. In Kombination mit dem jährlichen Bevölkerungswachstum von derzeit 85 Millionen Menschen führt dies zu einer stetig steigenden Anzahl von hungernden Menschen. Gerade in Entwicklungsländern sind neben Faktoren wie Infrastruktur, politische Rahmenbedingungen und Genderfragen vor allem die Wissensvermittlung und Bewusstseinsbildung zentrale Punkte für Entwicklungsperspektiven einer nachhaltigen Landwirtschaft. „Wir brauchen politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Weichenstellungen, um Maßnahmen zu ermöglichen. Ein Aktionsplan zur Welternährung muss auf die politische Agenda, um eine weitere Eskalation im Bereich der Ernährungssicherung zu vermeiden“, forderte Birgit Schößwender vom Weltladen-Dachverband.

Alle Redner auf der Tagung bescheinigten der ökologisch orientierten Landwirtschaft das größte Potenzial zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit. Ein wichtiger Baustein, der dem Verlust wertvoller Ackerflächen entgegenwirkt und die Grundlage für Klima-, Wasser- und Artenschutz darstellt. In Kombination mit dem Fairen Handel können Kleinbauern und -bäuerinnen ihre Produkte zu fairen Bedingungen vermarkten und so ihre Existenz sichern. „80 Prozent der Bauern weltweit bewirtschaften nur zwei Hektar! Das Menschenrecht auf Nahrung muss in der globalen Handelspolitik Einzug halten“, forderte Carolin Callenius von Brot für die Welt.

Nach der Nahrungsmittelkrise im Frühjahr 2008 wurden so genannte Hilfspakete geschnürt, die die Fehler der Vergangenheit wiederholten. „Die EU-Kommission stellte eine Milliarde Euro zur Verfügung. Lediglich 14 Prozent davon wurden für agrarökologische Projekte ausgegeben“, kritisierte Marita Wiggerthale von Oxfam. Sie forderte neben der politischen Weichenstellung auch mehr Transparenz für den Verbraucher, damit die Macht der Verbraucher wirksam werden kann.

Als Überraschungsgast kam der Schauspieler Dietmar Bär, bekannt als Freddy Schenk vom Kölner Tatort, auf das Podium. Als überzeugter Öko-Käufer und Initiator des Vereins Tatort - Straßen der Welt ermutigte er das Publikum und die Referenten gemeinsam für die Öko + Faire Botschaft zu werben: „Wir müssen in die Köpfe der Menschen rein!“

Ulrich Hoffmann von der UNCTAD brachte die Rolle des Verbrauchers und der Gesellschaft mit seiner Äußerung auf den Punkt: „Die Geiz ist geil-Mentalität führt zur weiteren Chemisierung der Landwirtschaft mit allen uns bekannten negativen Folgen für Mensch und Umwelt“.


Kampagne „Öko + Fair ernährt mehr“

Im Rahmen der zweijährigen Kampagne fordern der Weltladen-Dachverband und Naturland die Politik auf, kleinbäuerliche und ökologische Landwirtschaft zu stärken, um eine langfristige Ernährungssicherheit weltweit zu erreichen. Der globale Handel muss vor allem für die Erzeuger fair gestaltet werden. Öko + Fair muss als Leitbild einer zukunftsorientierten Landwirtschaft verankert werden – in der Politik und beim Verbraucher. (PD)

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