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07.07.2009 | 19:41 | Atomenergie & Wahlkampf  

Atom-Panne befeuert Wahlkampf - Gabriel gegen Merkel

Berlin - Die Panne im Atomkraftwerk Krümmel befeuert den Bundestagswahlkampf.

Bundestag
(c) proplanta
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte am Montag vor Sicherheitsrisiken. Er forderte, den Atomausstieg zu beschleunigen und will den Ländern die Aufsicht entziehen. «Der Störfall ist der Normalfall», sagte Gabriel. Dagegen hält Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die 17 deutschen Atomkraftwerke trotz des neuen Vorfalls grundsätzlich für sicher. Sie blieb bei ihrer Forderung, dass die Restlaufzeiten verlängert werden sollen. Aus der Union kam Widerstand gegen Gabriels Pläne.

Gabriel forderte, die acht ältesten Kraftwerke in Deutschland abzuschalten und ihre Restlaufzeiten auf jüngere Meiler zu übertragen. «Da dass die Kraftwerksbetreiber selbst nicht tun, finde ich, muss man sie per Gesetz dazu zwingen.» Merkel hat keine Sicherheitsbedenken. Die deutsche Atomaufsicht sei 2008 bei einer internationalen Prüfung gelobt worden, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. «Die Bundeskanzlerin hat keinen Zweifel, dass (...) nur Anlagen im Betrieb sind, für die gilt, dass die Zuverlässigkeit und die Fachkunde des Betreiberpersonals gewährleistet ist.» Wenn dies allerdings nicht so sein sollte, dürfe die Anlage nicht mit dem gleichen Personal weitergeführt werden.

Im Atomkraftwerk Krümmel bei Hamburg war es am Samstag zum Kurzschluss in einem Transformator gekommen. Der Meiler hatte sich automatisch abgeschaltet. Die Panne führte zu Stromausfällen in Hamburg. Das Kernkraftwerk des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall war vor zwei Wochen wieder ans Netz gegangen. Vor zwei Jahren war der Brand eines baugleichen Trafos Auslöser für das Herunterfahren. Vor dem jüngsten Kurzschluss gab es zwei weitere Pannen.

Gabriel will den Ländern die Atomaufsicht entziehen, die sie für den Bund wahrnehmen. «Der Bund sollte eine Atomaufsicht einführen, die wirklich alle 17 Atomkraftwerke umfasst.» Merkel erteilte dem Vorstoß eine Absage. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern habe sich bewährt, sagte Steg. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) betonte, die Expertise für die Atomaufsicht liege bei den Ländern. Auch die SPD-Landessozialministerin Gitta Trauernicht lehnte Gabriels Vorstoß ab. Unions-Fraktionsvize Katherina Reiche (CDU) sprach von einem durchsichtigen Wahlkampfmanöver. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel befürwortet dagegen eine Bündelung der Atomaufsicht.

Die Grünen sprachen Vattenfall die Eignung ab, die Atomkraftwerke zu betreiben. «Vattenfall muss die Genehmigung entzogen werden», forderte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Der Konzern habe aus den Störfällen vor zwei Jahren nichts gelernt. Der Bund müsse die Atomaufsicht übernehmen. Linke-Geschäftsführer Dietmar Bartsch sprach von bis zu 200 Milliarden Euro Gewinn für Atomkonzerne, wenn abgeschriebene Meiler verlängert werden.

In Krümmel verriegelten Vertreter der Umweltorganisation Greenpeace ein Tor zum Kraftwerk mit Eisenketten. Experten setzten die Suche nach der Ursache des Störfalls fort. Das Land geht im Gegensatz zu Gabriel davon aus, dass ein Wiederanfahren des Meilers nicht zustimmungspflichtig ist. Eine Sprecherin von Vattenfall sagte der dpa, der Reaktor werde aber nur in enger Abstimmung mit der Atomaufsicht wieder angefahren. Der Transformator sei seit 2007 intensiv geprüft worden. «Wir hatten sowohl von Sachverständigen als auch vom Hersteller die Information, dass der Trafo betriebsbereit ist», sagte sie dem Sender N24.

Gabriel will nach dem Störfall die Elektronik in allen deutschen Atommeilern untersuchen lassen. Die Atomindustrie lehnte seine Forderung nach einem Abschalten älterer Meiler und der Übertragung der Laufzeiten auf jüngere ab. Dies könne aus dem, was derzeit an Informationen vorliege, nicht abgeleitet werden, sagte ein Sprecher des Deutschen Atomforums. Vattenfall und RWE hatten bisher vergeblich versucht, längere Laufzeiten älterer Meiler zu beantragen. Nach dem Atomausstieg soll das letzte Atomkraftwerk etwa 2022 abgeschaltet werden. Bund und Länder vereinbarten kürzlich, neue Sicherheitsregeln für die Atommeiler zu prüfen. (dpa)
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