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12.03.2011 | 09:15 | Offener Brief von Gerd Sonnleitner 

Offener Brief zur Charta Landwirtschaft und Verbraucher

Berlin - Bauernpräsident Gerd Sonnleitner wendet sich mit einem offenen Brief an Landwirtschaftsminister Ilse Aigner, anlässlich ihrer einberufenen Charta-Diskussion.

Gerd Sonnleitner
Gerd Sonnleitner (c) proplanta

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Aigner,

Sie möchten „eine breite gesellschaftliche Diskussion zur Rolle und den Aufgaben der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland anstoßen", aus der heraus eine „Charta für Landwirtschaft und Verbraucher" entwickelt werden soll. Dazu haben Sie über 40 Organisationen zur strukturierten Debatte über Umwelt, Tierhaltung, Ernährungssicherung und Lebensmittel eingeladen. Der Berufsstand wird sich selbstverständlich aktiv in diese Debatte einbringen, weil wir überzeugt sind, dass die Landwirtschaft eine Zukunftsbranche mit hohem gesellschaftlichen Mehrwert ist!

Die Landwirte sind für ein klares und offenes Wort bekannt. Deshalb drücke ich an dieser Stelle meine Sorge aus, dass im Rahmen des Charta-Prozesses tatsächlich eine realis­tische Debatte geführt wird. Diese Sorge entspringt der Erfahrung der vergangenen Monate, zuletzt im Zusammenhang mit dem Dioxinfall. Hier hat sich ein Zeitgeist mit Begrifflichkeiten und Wahrnehmungen entwickelt („industrialisierte Landwirtschaft"), der unterstellt, die Bauern würden ihre Werte und ihre Verantwortung über Bord werfen.

Nichts davon ist richtig. Die deutsche Landwirtschaft wird auch künftig auf eine Verankerung in der Gesellschaft großen Wert legen. Diese Verankerung beweist sich zuallererst jeden Tag beim Einkauf von Nahrungsmitteln an der Ladentheke. Immerhin sind in Deutschland direkt und indirekt täglich etwa 5 Millionen Menschen mit der Herstellung und dem Vertrieb von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen beschäftigt. Wenn im Charta-Prozess der Dialog mit allen gesucht wird, dürfen die Fakten und Marktrealitäten nicht ausgeblendet werden.

Wir Landwirte fühlen uns der Nachhaltigkeit besonders verpflichtet und suchen in der täglichen Arbeit und in unseren Investitionsentscheidungen den Ausgleich zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung. Nur solche Betriebe haben auf Dauer Zukunft. Eine einseitige Betrachtung von Umweltzielen wie von kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolgszahlen ist nicht nachhaltig. Wir müssen als bäuerliche Unternehmer darauf bestehen, dass Forderungen nach mehr Umweltschutz und Tierschutz mit den Realitäten in offenen Märkten abge­glichen werden. Wer dies nicht akzeptiert, verdrängt die deutschen Bauern aus dem Markt.

In den letzten 20 Jahren wurde die EU-Agrarpolitik grundlegenden Reformen unterzogen. Staatliche Preisgarantien und Mengensteuerungen wurden aufgegeben, vor allem um die Landwirtschaft „WTO-kompatibel" zu machen. Der Deutsche Bauernverband hat sich damit nicht immer leicht getan, ist diesen Weg der Marktorientierung aber mitgegangen. Heute ist klar: Wir erzeugen nur die Nahrungsmittel, die an den Märkten tatsächlich nachgefragt werden. Dieser Weg kann nur dann erfolgreich weiter beschritten werden, wenn im Wett­bewerb der Grundsatz der Nachhaltigkeit von allen Marktbeteiligten respektiert und einge­halten wird - auch von den Verbrauchern.

Die Agrar- und Ernährungspolitik hat - das wird in jüngster Zeit wieder deutlich - auch eine wichtige soziale Dimension. Es geht nicht nur um die Qualität unserer Ernährung. Vielmehr haben auch die Preise für breite gesellschaftliche Schichten eine hohe Bedeutung. Daher ist es gesellschaftspolitisch nicht tolerabel, wenn gegen eine moderne, arbeitsteilige und effiziente Landwirtschaft, die auf naturwissenschaftlicher Grundlage arbeitet, agitiert wird. Kaum jemand spricht aber über die Kosten von vermeintlichen Alternativen. Deshalb wollen wir genau diese Frage bei der Charta-Diskussion geklärt wissen: Sollen die deutschen Landwirte Nahrungsmittel vorrangig für eine kaufkräftige Elite produzieren oder für alle Bürgerinnen und Bürger?

In diesem Sinne hoffe ich auf eine gute Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft! (dbv)

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