Als sie vor eineinhalb Jahren aufgestellt wurden, begann eine Welle von Bauernprotesten gegen das sogenannte Agrarpaket der Bundesregierung, zu dem auch die Einschränkung von Insektengiften gehörte. Damals rauften sich in Berlin das Landwirtschafts- und das Umweltministerium zu einem Kompromiss zusammen. Jetzt nähern sich an der Basis auch Landwirte und Naturschützer an. In Rheinland-Pfalz haben sie sogar einen Schulterschluss vereinbart.
«Wir sind gefragt worden, ob das ein Aprilscherz sein soll», sagte die Nabu-Landesvorsitzende Cosima
Lindemann bei der Vorstellung von gemeinsam mit den Bauernverbänden aufgestellten Forderungen an die künftige Landesregierung am 1. April in Heidesheim (Kreis Mainz-Bingen). Mit kritischen Stimmen in den eigenen Reihen rechnet auch Eberhard Hartelt, der Präsident des Bauern- und Winzerverbands im südlichen Rheinland-Pfalz. «Manche werden das als einen Verrat empfinden» - vor allem, wenn im Streit zwischen Landwirten und Naturschützern vor Ort persönliche Verletzungen entstanden seien.
Die andere Position verstehen zu wollen, bedeute ja noch lange nicht, mit dieser Position auch immer einverstanden zu sein, sagt Hartelt. «Aber wir haben herausgefunden, dass wir viele Schnittmengen haben.» Die
Bauern stünden auch für
Artenschutz und
Biodiversität ein. «Ja wir leben davon», fügt Hartelt mit Blick auf die Bestäuberleistung von Insekten für das Wachsen von Feldfrüchten und Obst hinzu. Der Insektenrückgang könne nicht wegdiskutiert werden.
Statt die Schuldfrage zu stellen, solle besser nach den Ursachen geschaut werden: «Nach dem Krieg wollten wir in Deutschland
Nahrungsmittel produzieren auf Teufel komm raus», sagt der Bauernverbandspräsident mit Blick auf die Entstehung der industrialisierten Landwirtschaft. «Das hatte Folgen. Das muss uns als Bauern auch ein schlechtes Gewissen machen.»
Auch die Naturschützerin Lindemann blickt zurück. Über Jahrzehnte hinweg sei viel Misstrauen zwischen beiden Seiten entstanden. «Da haben wir auch daran gearbeitet, muss ich selbstkritisch sagen.» Viel zu lange sei in Deutschland «eine unglaublich emotionalisierte Debatte um die Landwirtschaft» geführt worden. Dabei sei viel zu wenig überlegt worden, was Naturschützer und Landwirte miteinander verbinde.
«Wir brauchen unsere landwirtschaftlichen
Betriebe, wir brauchen sie für die Produktion unserer
Lebensmittel, aber auch für die Erhaltung der Artenvielfalt.» Auch die Nabu-Vorsitzende plädiert für einen Verzicht auf Schuldzuweisungen. «Wenn wir unsere artenreichen Kulturlandschaften erhalten wollen, müssen wir jetzt handeln.»
Die neuen Partner haben festgestellt: «Wir haben unterschiedliche Sprachen.» Mit bestimmten Begriffen verbinden Naturschützer und Landwirte unterschiedliche Vorstellungen. Das fängt etwa an mit dem Unterschied von ungewolltem «Unkraut» und gewünschtem «Ackerwildkraut». Der Landwirt Tobias Diehl in Heidesheim (Kreis Mainz-Bingen), der als einer von zehn Betrieben in Deutschland am Forschungsprojekt Franz zur Entwicklung von Ökolandbau-Maßnahmen teilnimmt, verwendet beide Begriffe. So könne es etwa für eine vielfältige Flora abträglich sein, wenn die Acker-Kratzdistel sich so stark ausbreite, dass kein Platz für andere Pflanzen mehr bleibe.
Gemeinsam ist beiden Seiten der Wunsch nach weniger Bürokratie und mehr Geld für Artenschutzprojekte wie für Naturschutzleistungen von bäuerlichen Betrieben. «Wir müssen den
Naturschutz zu einem Betriebszweig machen, als Produkt mit einem eigenen Wert betrachten», fordert Diehl.
In der Landesregierung gibt es dafür offene Ohren. «Naturschutz in die Betriebsabläufe zu integrieren und umzusetzen, ist eine Leistung, die einen hohen gesellschaftlichen Mehrwert bringt», sagt Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) zu der neuen Partnerschaft.
«Diese Leistungen sollen auch angemessen honoriert werden.» Rheinland-Pfalz sei hierbei mit den Programmen zum
Vertragsnaturschutz und anderen Instrumenten nicht schlecht aufgestellt. «Aber wir müssen noch besser werden.»
Bauernverbandspräsident Hartelt sieht aber auch in den sehr detaillierten behördlichen Vorgaben für die Landwirtschaft ein Hindernis. Als Beispiel nennt er feste Zeiträume für die
Mahd, also das Mähen von Wiesen. «Aber die Natur richtet sich nicht nach dem Kalender.»
Mit gutem Grund hätten sich Bauern über viele Generationen hinweg an Wetter und Wachsen orientiert - hier sollte der Staat mehr Vertrauen in die Kompetenzen der Landwirte haben. Und beim Naturschutz müsse es mehr Beratung für die Landwirtschaft geben, fordert Hartelt. «Ich habe gelernt, hochproduktiv Getreide zu säen und Schweine zu mästen.» Aber jetzt müsse auch vermittelt werden, wie zum Beispiel besonders insektenschonend gemäht werden sollte.
Bei konkreten Projekten vor Ort gibt es schon jetzt eine Zusammenarbeit, etwa beim Schutz des vom Aussterben bedrohten Feldhamsters. Im Kreis Mayen-Koblenz wollen der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau und die Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR) gemeinsam darauf hinwirken, trotz gestiegener Hygiene-Anforderungen die Schwalbennester auf Bauernhöfen zu erhalten.
Das neue Bündnis will den wechselseitigen Austausch weiter fördern. Naturschützer und Bauern sind sich bewusst, dass es weiter unterschiedliche Bewertungen geben wird. Aber sie wollen die alten Feindbilder überwinden. «Das ist der Beginn einer guten Freundschaft», sagt der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, Michael Horper. «Und Freundschaften müssen manchmal auch etwas aushalten können.»