Das Roboter-Gefährt «Contadino» steht auf einer Drehscheibe inmitten der belebten Halle 4 auf der Landtechnik-Messe
Agritechnica in Hannover. Als sich Hans-Jürgen Duensing, Vorstand der Continental-Tochter ContiTech, und Reifenchef Christian Kötz daneben aufstellen wollen, droht das Vehikel immer wieder abzudrehen. Ein Mitarbeiter eilt hinzu und klebt die Drehscheibe kurzerhand fest.
«Optimierung und Effizienz ist die einzige Lösung für die Landwirtschaft», sagt Duensing. Nur durch eine perfekte Nutzung landwirtschaftlicher Flächen könne die
Weltbevölkerung nachhaltig ernährt werden. Mit dem «Contadino» will Continental dazu beitragen: Ausgestattet mit moderner Sensorik kann der Roboter autonom und elektrisch über die Felder fahren, unterschiedliche Anbaugeräte können an das Gerät gekoppelt werden. Der «Contadino» könnte also bald präzise und effizient säen, jäten und düngen. Ist das der Aufbruch in die Zukunft des Ackerbaus?
In der
Diskussion rund um das
Artensterben und verseuchtes
Grundwasser klingen solche Entwicklungen nach einem Heilsversprechen: Ein Roboter, der sich merkt, wo er eine Pflanze ausgesät hat und diese dann gezielt mit Pestiziden bespritzt. Unkraut müsste nicht mehr großflächig mit Chemikalien wie dem umstrittenen
Glyphosat vernichtet werden, sondern die Maschine könnte die unerwünschten Pflanzen dank modernster Technik erkennen - und ganz altmodisch heraushacken.
«Das sind schon Anwendungen, die praxistauglich sind», sagt eine Sprecherin des Niedersächsischen Landvolks. Katrin Wenz, Agrarexpertin beim Bund
Naturschutz (BUND), bewertet die Entwicklung als «grundsätzlich sehr positiv», auch wenn sie nur eine von vielen sein könne. Wichtiger als die technische Neuerung ist ihrer Meinung nach, dass sich die konventionelle Landwirtschaft mehr vom
Öko-Landbau abschaut.
«Mich wundert, dass gerade Continental das macht. Aus der Branche stehen schon alle großen Hersteller mit der Technik in den Startlöchern», meint Andreas Hermann, Experte für Agrartechnik beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Bei der Landmaschinen-Messe zeigt sich auch: Bei vielen ist die Entwicklung schon konkreter als beim Continental-Prototyp.
Das französische Unternehmen Naio Technologies hat schon 2017 einen autonomen Roboter entwickelt, der Unkraut mechanisch jäten kann. Der dänische Roboter «Farmdroid» braucht nicht mal mehr eine Batterie-Ladung, sondern fährt gleich mit aufgebauten Solarzellen übers Feld und informiert seinen Besitzer per SMS, falls es Probleme gibt. Mit jeweils niedrigen zweistelligen
Verkaufszahlen haben die beiden Hersteller aber bislang noch nicht für den großen Umbruch gesorgt.
«Bisher können diese Maschinen noch recht wenig Fläche machen», erzählt Agrartechnik-Experte Hermann. Eine Anwendung mache also momentan eher im kleinen Rahmen, etwa in Gärtnereien, Sinn. Für größere Flächen bräuchte man hingegen mehrere Roboter die im Verbund fahren, sogenannte Feldschwärme: «Das befindet sich aber noch in der Forschungsphase.»
Die Frage, ob präzise arbeitende Roboter bald über die Felder fahren, ist auch eine Frage der Akzeptanz. «Beim autonomen Fahren ist die
Landtechnik bereits ähnlich weit wie die Automobilbranche», meint Hermann. Er ist überzeugt davon, dass sich die Landtechnik in diese Richtung entwickeln wird. Noch hätten aber viele Menschen Angst vor der neuen Technik, außerdem würden gesetzliche Grundlagen fehlen.
Und auch die Landwirte müssten sich an den Gedanken gewöhnen, bald nicht mehr auf ihrem Schlepper ihre Felder zu bewirtschaften, sondern als Flottenverwalter ihren Roboter-Schwarm oder ihre autonomen Landmaschinen zu überwachen. ContiTech-Vorstand Duensing meint: «In zehn Jahren braucht ein Landwirt nicht mehr auf einem Traktor sitzen. Der kann das dann alleine.»