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10.12.2008 | 11:27 | Wissenschaft 

FH Bingen erzeugt mit neuartigem Pyrolyseverfahren Wärme und Dünger aus Biomasse

Bingen - Regenerative Energienutzung und Umweltschutz werden an der technisch-naturwissenschaftlichen Fachhochschule Bingen schon lange groß geschrieben.

Biogasanlage
(c) proplanta
Mit einem neuartigen für die Hochschule patentierten Verfahren können insbesondere biologische Abfall- und Reststoffe durch Pyrolyse mit nachgelagerter flammloser Oxidation (Flox) zur Energieerzeugung eingesetzt werden. Nebenprodukt dieses umweltschonenden Verfahrens ist ein wertvoller kohlenstoff- und mineralienhaltiger Dünger, der der Natur wieder zugeführt werden soll.

Die Pilotphase auf der Kläranlage Untere Selz in Ingelheim, bei der mit einem Pyrolysereaktor Klärschlamm energetisch verwertet wurde, ist abgeschlossen und lieferte überzeugende Ergebnisse. Ein neues Großprojekt ist angelaufen. Im landwirtschaftlich geprägten Rheinland-Pfalz gibt es viele Abfall- oder Nebenprodukte, die als regenerative Brennstoffe genutzt werden könnten. Dazu zählen Stroh, Rapspresskuchen, Grünschnitt, Trester oder Klärschlamm als kohlendioxidneutrale Bioenergieträger, wovon insbesondere Klärschlamm ganzjährig verfügbar ist.

"Problematisch bei der thermischen Verwertung solcher Biomassearten sind zum einen der hohe Ascheanteil, der für hohe Staubemissionen und Verschlackungsprobleme verantwortlich ist, und zum anderen der Stickstoffgehalt, der an der Oxidation teilnimmt und damit die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte erschwert", weiß Professor Dr. Winfried Sehn. Mit seinem Mitarbeiter Helmut Gerber suchte er nach Alternativen.

In dem an der FH Bingen entwickelten Biomasse-Pyrolysereaktor werden die chemischen Verbindungen der Biomasse thermisch aufgespalten - pyrolysiert - und das dabei entstehende Pyrolysegas mit flammloser Oxidation im innovativen Flox-Brenner (Flox = flammlose Oxidation) bei geringen Emissionen verbrannt. Die Wärme kann über Stirling- oder Dampfmotoren zur Stromerzeugung genutzt oder zur Trocknung der Biomasse eingesetzt werden.

Das Verfahren erlaubt Optimierung in zwei Richtungen: Eine optimale Energieausbeute aus der Biomasse bei geringem Kohlenstoffanteil in der Asche oder einen hohen Kohlenstoffanteil bei reduzierter Energieerzeugung. Wird der Ertrag an thermischer Energie auf ein Drittel des Heizwertes der eingesetzten Biomasse abgesenkt, bleibt 27 Prozent des Kohlenstoffs in fester Form zusammen mit den Mineralstoffen in der Asche übrig. Getestet wurde an einer Pilotanlage mit einer Leistung von 100 Kilowatt.

Dieses Verfahren der energetischen Nutzung von Bioenergieträgern eignet sich hervorragend zum dezentralen Einsatz, dort, wo die Brennstoffe verfügbar sind und Energie benötigt wird. Das erspart weite Transportwege und entlastet zusätzlich die Umwelt. Gerade für die Klärschlammentsorgung kleiner Kommunen böte das neue Verfahren eine Alternative, da die Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Nutzung erhalten und sogar verbessert würden, zählt Sehn weitere Vorteile auf. Die Reststoffe sind hygienisch unbedenklich und als Dünger verbessern sie die Bodenqualität. Als ein wesentlicher Zusatzeffekt wird ein Teil des durch Photosynthese in der Pflanze gebunden Kohlendioxids im Boden eingelagert (sequestriert).

Dr. Sehn und seine Projektpartner sind sich einig: "Das patentierte Verfahren hat das Potenzial zur umweltgerechten und ökonomischen Nutzung von Biomassereststoffen und bietet damit insbesondere eine Alternative zur bisherigen Klärschlammentsorgung". Sie blicken optimistisch in die Zukunft, 2009 könnte die Anlage auf den Markt kommen. Anfragen von Kaufinteressenten gebe es bereits, so Sehn.

Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts wird an der FH Bingen unter Mitwirkung der Universitäten Dortmund und Bayreuth sowie von Partnern aus dem Bereich der KMU die Anlage inzwischen als Blockheizkraftwerk aufgebaut . Über einen Dampfkraftprozess soll damit Strom erzeugt und die Pyrolysereste auf ihre Eignung als Terra Preta untersucht werden. Terra Preta wurde bereits von Indios vor 700 Jahren eingesetzt, um mit Holzkohle die Urwaldböden dauerhaft fruchtbar zu machen und die Auswaschung von Nährstoffen zu verhindern. (idw)
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