Umweltverbände, Bürgerinitiativen, Parteien und Gewerkschaften wollen am 18. September zehntausende Bürger im Regierungsviertel auf die Straße bringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (
CDU) setzte am Donnerstag ihre «Energie-Reise» mit einem Besuch der Leipziger Strombörse EEX fort.
Unterdessen tobt der Expertenstreit weiter, ob die Regierung die Laufzeiten ohne Zustimmung des Bundesrates verlängern kann. Berliner Verfassungsrechtler kommen nach Darstellung von Grünen und
SPD in einem neuen Gutachten zu dem Ergebnis, dass Schwarz-Gelb die Länderkammer in dieser grundlegenden Frage nicht ausschalten dürfe. Dazu sagte Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) in Mainz: «Rheinland-Pfalz fühlt sich in seiner Auffassung bestätigt, dass jegliche Laufzeitverlängerung der Zustimmung des Bundesrates bedarf.» So sehen es auch die Grünen im Bundestag. Umgehe die Koalition den
Bundesrat, «provoziert Schwarz-Gelb endlose Gerichtsverfahren und jahrelange Rechtsunsicherheit», sagte Umweltexpertin Bärbel Höhn.
Union und FDP hatten mit der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen ihre Mehrheit in der Länderkammer verloren. Derzeit prüfen Justiz- und Innenministerium die Rechtslage. Die Anti-Atom-Bewegung kündigte der Koalition einen «heißen Herbst» mit bundesweiten Kundgebungen an. Höhepunkt sei der Protest am 18. September im Berliner Regierungsviertel. Es seien bereits zwei Sonderzüge und 30 Busse angemeldet worden. Der Sprecher der Organisation «ausgestrahlt», Jochen Stay, sagte: «Wir werden alles dransetzten, die Regierungspläne zu stoppen.»
Die Bundesregierung will bis zum 1. September Klarheit über die umstrittene Brennelementesteuer oder eine andere Milliardenabgabe der Stromkonzerne schaffen. Ende September soll die Entscheidung zum künftigen Energie-Mix und den Laufzeiten der Kernkraftwerke fallen. Aktuell hält die Regierung noch an der im Juni auf der schwarz- gelben Sparklausur verabredeten Atomsteuer fest, die ab 2011 jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen soll.
Als Gegenleistung für den Steuer-Verzicht wollen die Konzerne nun die Hälfte der erwarteten Milliarden-Zusatzgewinne aus längeren Laufzeiten ihrer Reaktoren an den Staat abgeben. «Sollte Merkel die Brennelementesteuer fallenlassen, wäre das ein einzigartiger Kniefall der Bundeskanzlerin vor der Atomindustrie», kritisierte Greenpeace. Der Verband der Stromindustrie BDEW verteidigte längere Laufzeiten. Es gebe keinen Widerspruch zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energien und der längeren Nutzung der Kernkraft, sagte die Cheflobbyistin und frühere CDU-Spitzenpolitikerin Hildegard Müller im Deutschlandradio. (dpa)