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10.03.2012 | 08:08 | Solarenergie 

Das China-Problem beim Sonnenstrom

Berlin - Ohne Solarstrom ist die Energiewende nicht zu schaffen. Aber wie viel soll es pro Jahr sein, damit es für die Bürger bezahlbar bleibt? Die Billigkonkurrenz aus China macht das Fördersystem unberechenbar.

Solarenergie
(c) proplanta
An deutschen Autobahnen werden bereits überall die Randstreifen vermessen. Sind Schallschutzmauern nicht zu hoch, könnte die Sonneneinstrahlung gut sein. Branchenexperten gehen davon aus, dass es auf den Grünstreifen nahe den Autobahnen zu einer massiven Installation von Solarmodulen kommen wird. Trotz der Förderkürzung um bis zu 30 Prozent ab April, über die der Bundestag am Freitag in hitziger Debatte erstmals beraten hat, rechnen nicht wenige mit einem weiteren Boom - dank China.

Es gibt zwei Dilemmas bei der unberechenbaren Solarförderung. Erstens: Seit Jahren hechelt die Regierung den wegen chinesischer Unternehmen massiv gesunkenen Preisen hinterher. Selbst starke Förderkürzungen konnten 2011 nicht verhindern, dass 7.500 Megawatt installiert wurden. Teilweise errichteten Bauern wegen der guten Renditen eigens neue Scheunen. Diese dienten weniger zur Lagerung, sondern oft nur dazu, mit Photovoltaikmodulen auf den Dächern die höhere Sonnenstromförderung für Dachanlagen einzustreichen.

Der Zubau 2011 könnte sich nach internen Berechnungen des Bundesumweltministeriums auf 22,5 Milliarden Euro summieren. Denn die zum Stichtag der Installation gültige Vergütung wird unabhängig von späteren Fördersenkungen auf 20 Jahre garantiert. Bezahlen müssen die Bürger die Solarkosten über den Strompreis. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) betont, man könne nicht immer weiter die Interessen Einzelner stark subventionieren und dafür viel Geld von den Stromverbrauchern nehmen. Die Regierung will zudem einen langsameren Solarzubau, weil in einigen Jahren gar keine Förderung mehr nötig sein könnte. Und sie fürchtet große Netzprobleme.

Die Modulpreise fallen weiter, es gibt große Überkapazitäten. Ende 2011 standen 60 000 Megawatt an Produktionskapazitäten einem Weltmarkt von 24.000 gegenüber. Hierin liegt Dilemma zwei begründet. Auch wenn der Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW) vor dem Verlust tausender Arbeitsplätze warnt, Schuld hätten wohl weniger die neuen Kürzungen, sondern vor allem der Konkurrenzdruck aus China.

Insider meinen, dass sich die Branche zu lange auf der Förderung ausgeruht habe. Chinesische Firmen haben oft neueste Technologie, können also besser und billiger produzieren. Daher muss es dringend nicht nur einen deutschen, sondern auch einen globalen Solarboom geben, damit nicht weitere deutsche Unternehmen pleitegehen. Denn nur eine massive Nachfrage kann das Überleben sichern.

Teils bis zu 80 Prozent der Module sollen bereits aus Fernost kommen. Chinesische Solarfirmen tragen rund zehn Prozent des Budgets des BSW, damit dieser hierzulande für gute Förderbedingungen kämpft. «Selbst wenn wir die Förderung verdoppeln, würde dies am Grundproblem nichts ändern: Chinesische Hersteller üben einen enormen Preisdruck aus», sagt die Parlamentarische Umweltstaatssekretärin Katherina Reiche (CDU). Bei vergleichbarer Leistung der Anlage entschieden sich viele Bürger eben für das günstigere Angebot aus Fernost.

Milliardensummen fließen daher über die Förderung nach China. Von Handelsschranken will man bei Union und FDP aber nichts wissen. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber fordert, endlich gegen das «Preis-Dumping» vorzugehen. Interne Erhebungen des Umweltministeriums zeigen, wie stark es sich auswirken würde, wenn trotz Kürzungen dank chinesischer Firmen der Boom anhält. Dann würden 1.000 Megawatt Zubau auf 20 Jahre immer noch mit jeweils knapp zwei Milliarden zu Buche schlagen. Die Solarbranche hingegen sagt: Der weitere Ausbau würde die Bürger kaum mehr kosten, als der derzeitige «Solar-Soli» von rund 70 Euro pro Jahr und Haushalt.

Röttgen wollte schon zum 9. März die Kürzung, wegen einer erneuten Schlusskaufgefahr, «wenn man zu viel Leine lässt». Dass sich Union und FDP nun auf den 1. April einigten, ist vor allem auch den 23.350 Handwerkern geschuldet, die laut EuPD Research in Deutschland Solarmodule installieren. Viele haben die Lager voll und wären sonst auf bezahlter Ware sitzengeblieben. Die meisten Module werden in Bayern verbaut, wo 40 Prozent des deutschen Sonnenstroms erzeugt wird. Da macht es Sinn, dass mit dem chinesischen Unternehmen Yingli Solar eines der weltweit größten Solarunternehmen Sponsor des FC Bayern München ist. (dpa)
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