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10.08.2010 | 17:35 | Umwelt  

Deutschland weiß nicht wohin mit dem Energiemüll

Beeskow/Gorleben - Für den Energiekonzern Vattenfall fließt durch den kleinen silberfarbenen Schlauch die Verheißung, für Udo Schulze ist es Teufelszeug.

Deutschland weiß nicht wohin mit dem Energiemüll

Am Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe in der Brandenburger Lausitz erprobt Vattenfall derzeit die Abscheidung des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) bei der Kohleverbrennung. Bewährt sich die Technik, könnte verflüssigtes CO2 bald per Pipeline ins 80 Kilometer entfernte Beeskow, der Heimat von Restaurant-Betreiber Schulze, gepumpt und tief in der Erde verpresst werden.

Ob CO2 oder die ungelöste Endlagerfrage für Atommüll - bestimmte Energieformen erzeugen Stoffe, die für tausende Jahre sicher unter der Erde eingepfercht werden müssen. Aber Fälle wie das einsturzgefährdete Lager Asse, wo in 126.000 Fässern schwach- und mittelradioaktiver Atommüll lagert, kosten viel Geld und Vertrauen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat sich nun beider Bereiche angenommen - die unterirdische Verpressung von CO2 soll per Gesetz erlaubt werden und in Gorleben wird geprüft, ob der Salzstock zum Endlager für hoch radioaktiven Atommüll taugt. Bei dem in Kürze vorliegenden Energiekonzept der Regierung geht es auch um eine Lösung für die offenen Endlagerfragen. Auf dem Weg nach Beeskow hängen Gasmasken über Gartenzäunen, Plakate mit Aufschriften wie «Wir sind keine Versuchskaninchen» oder «Seismologische Untersuchungen untersagt» sind zu sehen. Am Rathaus hängt ein Banner, das «Nein zum CO2-Endlager» verkündet. «Wir wollen hier keine zweite Asse werden», sagt Bürgermeister Frank Steffen (SPD).

Die Stadt hat Einspruch gegen die Erkundungserlaubnis für Vattenfall durch das Land eingelegt. Befürchtet wird, dass ein CO2-Leck zum Ersticken führen könnte, da Kohlendioxid schwerer als Luft ist. Die Umweltschützer vom WWF warnen vor Panikmache - schließlich liegen auch Teile Berlins auf einem Gas-Speicher, ohne dass es die Bürger groß störe. Udo Schulze, Betreiber der Kirchenklause, hat mit einer Bürgerinitiative Vattenfall den Kampf angesagt - allerdings gibt es bisher auch keine Beweise, dass das Ganze nicht auch funktionieren kann.

«Wissenschaftler haben auch Asse für mindestens 1.000 Jahre als sicher erklärt», meint Schulze, wobei man Atommüll sicher nicht mit CO2 gleichsetzen kann. «Wer will denn ein Leck verschließen, das sieht man doch im Golf von Mexiko, dass das kaum möglich ist», so Schulze. «Man kann den Versprechungen keinen Glauben schenken.»

Am Marktplatz sitzt Elvira Minack im CCS-Informationszentrum, das über das als Klimahoffnung gefeierte Verfahren aufklären soll. «Es gibt hier die Gefahr, dass deutsche Ingenieurskunst zerredet wird», sagt die 56-Jährige, betont aber: «Das BP-Ölleck im Golf von Mexiko hat uns zurückgeworfen.» Der Widerstand sei aber längst nicht so groß, wie es den Anschein habe, so die frühere Journalistin. Minack hofft, dass es gelingt, die Bürger von den Chancen zu überzeugen. «Es muss jetzt einfach mal losgehen mit den Erkundungen.»

Während in Brandenburg der Widerstand wächst, rät Sachsens CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich zu mehr Pragmatismus und bietet sein Land als Ort für CO2-Speicher an. Alle Welt arbeite daran, CO2 unterirdisch oder mit Hilfe von Bakterien oder Algen zu entsorgen, «allein wir trauen uns das nicht.» Im Gesetzentwurf der Regierung ist vorgesehen, Kommunen, die sich für die unterirdische Verpressung entscheiden, eine finanzielle Entschädigung zuzugestehen. Während die Frage möglicher CO2-Endlager noch am Anfang ist und bei anhaltendem Widerstand - in Schleswig-Holstein scheiterte bereits eine Speichersuche - das für viele hoffnungsvolle CCS-Verfahren auf der Kippe steht, herrscht in der Atommüllfrage weiter Stillstand.

Bisher gibt es nur eine Lösung für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll. Schacht Konrad - ein ehemaliges Eisenerzbergwerk - war 2007 dafür als Endlager genehmigt worden. Bis spätestens 2015 soll es in Betrieb gehen und bis zu 270 000 Kubikmeter Abfälle aufnehmen. Bleibt die Frage, wohin mit hoch radioaktivem Müll?

Bei 13 Atomkraftwerken gibt es Zwischenlager für Brennstäbe und hoch radioaktiven Müll, in Ahaus und Gorleben existieren zudem zentrale Zwischenlager. Für Umweltminister Röttgen ist Gorleben zunächst erste Option. Ob der Salzstock als Endlager für tausende Jahre lang strahlenden Atommüll taugt, soll in spätestens 20 Jahren feststehen. Röttgen kritisiert, SPD und Grüne hätten sich in ihrer Regierungszeit einer Endlagersuche verweigert. Für Kritik sorgt, dass der frühere Chef der Atomsparte von Vattenfall, Bruno Thomauske, als Gutachter für einen Sicherheitsbericht zu Gorleben berufen wurde. «Das ist ein klarer Interessenkonflikt», sagt der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Rainer Baake.

1,5 Milliarden Euro hat die Atomindustrie bisher in die Gorleben-Erkundung investiert, ist der Salzstock untauglich sind weitere Milliarden für eine neue Suche fällig. (dpa)


Hintergrund:

Treibhausgas CO2

Kohlendioxid (CO2) ist ein farb- und geruchloses Gas, in dem sich ein Kohlenstoffatom und zwei Sauerstoffatome verbinden. CO2 entsteht bei Verbrennungsprozessen, es wird auch im pflanzlichen Stoffwechsel verarbeitet. In geringen Konzentrationen ist Kohlendioxid für den Menschen ungiftig, höhere Konzentrationen führen zu Kopfschmerzen und Schwindel, im schlimmsten Fall erstickt man. In der Erdatmosphäre filtert CO2 die Infrarotstrahlung aus dem Sonnenlicht, es ist deshalb eins der gefährlichsten Klimagase und mitverantwortlich für die Erderwärmung. Beim Klimaschutz geht es darum, den vom Menschen durch Verbrennungsprozesse erzeugten CO2-Ausstoß zu senken.

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