Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
09.07.2013 | 07:07 | Solar-Reform 

Die teure Hypothek des Solarstroms

Berlin - Peter Altmaier spart nicht mit Selbstlob.

Solarenergie
(c) proplanta
«Es gibt jetzt wieder einen Ausbau in geordneten Bahnen», betont der Bundesumweltminister am Montag bei der Vorstellung einer Bilanz zu der vor einem Jahr mit allen 16 Bundesländern einstimmig ausgehandelten Solar-Reform.

Das Ganze greife in einer nicht erwarteten Weise, es würde nur noch ein Bruchteil der Kosten wie in früheren Jahren entstehen. Mit Zahlen munitioniert untermauert er seine Thesen. Doch das Problem für die Bürger ist: Den weiteren Strompreisanstieg kann das nur dämpfen.

Rückblick: 2010, 2011 und 2012 explodierte förmlich der Bau neuer Solaranlagen. Bauern bedeckten Scheunen mit Photovoltaikanlagen und Zehntausende wurden dank kleiner Solarkraftwerke auf dem Hausdach zu Stromproduzenten. Allein die Zahlungen der Vergütungen für das Jahr 2010 belasten die Strompreise mit etwa 2,2 Milliarden Euro.

2012 wurde mit 7.605 Megawatt neu installierter Leistung zum Rekordjahr - allerdings wegen bereits etwas gekürzter Fördersätze schlägt dies nicht so zu Buche wie das Jahr 2010. In diesem Jahr könnte sich wegen der vor einem Jahr eingeführten Förderkürzung mit automatischen weiteren Absenkungen bei einer bestimmten Anzahl neuer Anlagen der Zubau auf 3.500 bis 4.000 Megawatt quasi halbieren. Im Juni kamen nur noch 315 Megawatt hinzu, im Juni 2012 waren es noch 1.791 Megawatt.

Den Zubau im Vorjahr befeuerte der erwartete große Schnitt, aber zunächst ließen die Bundesländer eine Reform von Altmaiers Vorgänger Norbert Röttgen (CDU) durchfallen. Altmaier setzte dann mit den Ländern auch durch, dass bei 52.000 Megawatt installierter Leistung keine neuen Anlagen mehr gefördert werden. Dem Minister schwebt für die Windenergie-Förderung ein ähnlicher Kostendeckel vor.

Trotz Solar-Förderkosten von rund zehn Milliarden Euro allein in diesem Jahr für die bisher insgesamt rund 34.000 Megawatt an installierter Leistung, beträgt der Stromanteil nur fünf Prozent.

Letztlich werden Bürger und Unternehmen noch lange für die Überförderung der Vorjahre zahlen müssen - hier sind wegen des Bestandsschutzes aus rechtlichen Gründen keine nachträglichen Eingriffe oder Kürzungen möglich.

Ein Beispiel: Eine im Januar 2010 ans Netz gegangenen Solaranlage erhält auf 20 Jahre garantiert 39,14 Cent je Kilowattstunde, an der Strombörse gibt es für den Strom derzeit teils unter drei Cent. Die Bürger müssen per Ökostrom-Umlage die Differenz, also rund 36 Cent zahlen. Ab Juli ans Netz gehende Anlagen bekommen nur noch 15,07 Cent, also betragen hier die Differenzkosten nur zwölf Cent.

Da die Börsenstrompreise immer tiefer fallen, müssen die Bürger immer mehr zahlen für den Solarboom der letzten Jahre - deswegen dürfte auch das nun von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) geforderte Moratorium für einen weiteren Ausbau kaum etwas bringen. Denn mehr als 90 Prozent der Umlagekosten entfallen auf bestehende Anlagen.

Daher sind Strompreisbremsen so schwierig. Viel zu lange behinderten sich Bundesregierung und Länder bei Kostenreformen, während Solaranlagenbesitzer nun Renditen im zweistelligen Bereich machen - zu zahlen über den Strompreis auch von Hartz-IV-Beziehern.

Die Reform der Energiewende nach der Wahl dürfte hoch kompliziert werden. Denn das Kostenproblem droht sich dadurch zu verschärfen, dass sich inzwischen immer mehr Bürger und Unternehmen Solaranlagen auf ihr Dach setzen, um energieautark zu werden. Sie steigen damit aber auch in hohem Maße aus den Zahlungen von Ökostrom-Umlage und Netzentgelten aus. Die Last für die übrigen Stromverbraucher wächst.

Durch die Solarreform würden neue Anlagen in diesem Jahr nur noch 300 Millionen Euro zusätzlich an Kosten verursachen, betont Altmaier.

Deutschland werde als Hauptmarkt für Photovoltaik von China, Japan (jeweils ca. 8.000 Megawatt Zubau) und womöglich den USA (4.000 bis 5.000 Megawatt) abgelöst. Der Boom in Deutschland hat erst den Preisverfall im Solarbereich begünstigt - allerdings sind die meisten Module auf deutschen Dächern aus China. Gerade erst musste das Unternehmen Conergy Insolvenz anmelden. Ob Strafzölle auf China-Module den Niedergang deutscher Firmen stoppen können, gilt als fraglich.

Die Solarlobby warnt erwartungsgemäß vor weiteren Einschnitten, die die Industrie trotz des Wirkens der Reform fordert. Ein Anstieg der Strompreise könne vermieden werden, wenn der durch Wind- und Solarstrom ausgelöste Preisverfall im Stromeinkauf an die Verbraucher weitergegeben werde, meint Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Solarwirtschaft.

Altmaier sagt, er habe «lange gesucht», warum dieser Effekt nicht beim Verbraucher ankomme. Seine Erkenntnis ist ernüchternd. Schließlich würden durch mehr Ökostrom auch mehr Gaskraftwerke stillstehen, was den Energieversorgern an anderer Stelle Zusatzkosten verursache. «Ich glaube, der Effekt verpufft zu einem nicht unerheblichen Teil», meint Altmaier. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Besserer Schutz vor hohen Strompreisen

 Ampel-Koalition uneinig über Solarförderung

 Lindner erteilt Solarsubventionen vehemente Absage

  Kommentierte Artikel

 Größere EU-Getreideernte erwartet

 Was will die CDU in ihrem neuen Programm?

 Frankreichs Staatsrat schränkt Vogeljagd weiter ein

 LED-Lampen in Straßenlaternen sparen massiv Strom ein

 Zahl der Bäckereien weiter rückläufig

 Wundermittel und Jahrhundertgift PFAS: Derselbe Circus - andere Clowns

 Deutsche Verbraucher offen für abgelaufene Lebensmittel

 Brandenburger Dackel wohl von Wolf angegriffen

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau