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10.07.2013 | 16:30 | Solarunternehmen 

Solarkrise: Droht Fabriksterben im Osten?

Erfurt/Berlin - Die Solarbranche galt als Paradebeispiel für den industriellen Neuanfang in Ostdeutschland. Aus einigen der neuen Fabriken für Solarzellen und Module könnten nun Investitions-Ruinen werden. Mit massiven Folgen für einzelne Regionen.

Solarkrise 2013
(c) proplanta
Auf Dächern, neben Autobahnen oder auf Brachland: Überall blinken blaue Siliziumscheiben in der Sonne. Deutschland hat in den vergangenen Jahren kräftig aufgerüstet, um Sonnenstrom zu gewinnen. Trotzdem droht bei einigen Solartechnik-Herstellern das Licht auszugehen. Eine Pleitewelle erschüttert die Branche. Jüngstes Beispiel ist der Hamburger Solarpionier Conergy mit Werken in Brandenburg. Betroffen von der Krise, die auch Konzerne wie Bosch nach Verlusten zum Ausstieg aus der Solartechnik treibt, sind auch Regionen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Hier stehen viele der Solar-Fabriken.

Vor allem in Ostdeutschland - ob in Bitterfeld, Frankfurt/Oder, Arnstadt oder Dresden - hat die Solarindustrie in den Boomjahren bis 2011 Milliarden in Produktionsstätten für Silizium, Zellen und Module gesteckt. Tausende Arbeitsplätze entstanden. Nun sorgen sich Tausende Menschen um ihre Jobs und Bürgermeister um die wirtschaftliche Zukunft ihrer Städte. Bundesweit sind nach Schätzungen in der Solarwirtschaft seit dem vergangenen Jahr etwa 20.000 Stellen verschwunden.

Allein in der thüringischen Kleinstadt Arnstadt, wo die Bosch Solar Energy AG ihren Hauptsitz hat, stehen bei einer drohenden Schließung des erst vor zwei Jahren komplett eröffneten Werks etwa 1.800 Arbeitsplätze auf der Kippe. Einschließlich Zulieferern und Dienstleistern wären bei einem Aus bis zu 3.000 Jobs betroffen - ein Viertel aller Arbeitsplätze in der Region, hat das Thüringer Wirtschaftsministerium errechnet.

Entsprechend hartnäckig verhandeln Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) und der Betriebsrat mit dem Stuttgarter Bosch-Konzern über Alternativen. «Wir glauben nach wie vor an die Zukunft der Solarbranche», sagt Machnig, der als Energiepolitiker zum Schattenkabinett von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gehört. Allerdings müssten die Rahmenbedingungen schnell geändert werden, «sonst ist von der deutschen Solarindustrie in einem Jahr nicht mehr viel übrig».

Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung in Essen - ein erklärter Kritiker der derzeitigen Solarförderung - spricht von einem Strohfeuer, das mit sehr viel Geld entfacht wurde. «Der Kardinalfehler war, dass wir Masse statt Klasse gefördert haben.» Das zeige das Unternehmenssterben trotz des Rekordes von 7,6 Gigawatt bei der Installation von Solarkapazitäten im vergangenen Jahr in Deutschland.

Immense Überkapazitäten weltweit und der damit verbundene Preiskampf haben die Branche, deren Investitionen in Ostdeutschland in der Regel mit staatlichen Zuschüssen gefördert wurden, in existenzielle Probleme gestürzt. Peter Frey, Geschäftsführer der Branchenvereinigung Solarvalley Mitteldeutschland, benutzt ein hartes Wort, um die Situation zu beschreiben: Marktbereinigung. Derzeit sei noch nicht absehbar, wie viel Produktionskapazität erhalten bleibe.

Kaum ein Unternehmen habe in den vergangenen zwei Jahren Gewinne gemacht, sagt Frey. «Die Produktion nach bisherigem Muster steckt in einer existenziellen Krise.» Nach Sovello mit einst 1200 Mitarbeitern in Bitterfeld-Wolfen könnten noch weitere Firmen von der Bildfläche verschwinden, andere könnten gestärkt aus der Krise hervorgehen. Als Beispiele für einen Neuanfang nach der Insolvenz nennt Frey die Dresdner Solarwatt oder Q-Cells in Bitterfeld. «Es könnten die Firmen auf der Strecke bleiben, die das nötige Kapital nicht bekommen.»

Solarvalley steht für einen Produktions- und Forschungsverbund in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit derzeit etwa 15.000 Beschäftigten. Fast die Hälfte der Solar-Produktionskapazität in Deutschland ist laut Frey dort konzentriert.

Die Auswirkungen der Solarkrise auf die ostdeutsche Wirtschaft werden sich Experten zufolge aber in Grenzen halten. Matthias Brachert vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle verweist auf eine inzwischen breit aufgestellte Ost-Wirtschaft. «Die Solarindustrie ist sicherlich in einzelnen eng gefassten Regionen wie Frankfurt/Oder oder auch Bitterfeld-Wolfen sehr gewichtig, jedoch als solche nicht systemrelevant für Ostdeutschland.» Allerdings könne ihr Einbruch Wachstum kosten.

Der Bundesverband Solarwirtschaft sieht Lichtblicke und verweist auf die weltweit anziehende Nachfrage. «Die Photovoltaik ist und bleibt ein Wachstumsmarkt mit großen Chancen für Deutschland», erklärt Geschäftsführer Jörg Mayer. (dpa)
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