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11.09.2011 | 22:30 | E10 ohne Chancen 

E10-Tod auf Raten

Berlin - Für Holger Krawinkel ist das Urteil bereits gesprochen. «E10 ist faktisch tot», sagt der Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband.

E 10 Zapfsäule
«Bis der Tod amtlich festgestellt wird, kann es aber noch bis 2012 dauern.» Spätestens bei einer neuen Bundesregierung werde es ein neues Biosprit-Konzept geben. Alles müsse auf den Prüfstand. Man brauche eine Biostrategie aus einem Guss, denn auch die zunehmende Stromproduktion aus Biomasse ist umstritten, weil es irgendwann knapp werden könnte mit Rohstoffen, die nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion stehen dürfen.

Spätestens wenn der ADAC von der Stange geht, sei E10 nicht mehr zu halten, ist bei Bundestagsabgeordneten immer wieder zu hören. Der Automobilclub steht Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) noch zur Seite. Schlagzeilen machte man zuletzt mit einem Langzeittest mit einem Opel Signum, der als E10 unverträglich eingestuft war. «E10 kann schädlich sein», lautete anschließend das Fazit. Der Fahrer bemerkte nach 27.000 gefahrenen Kilometern laut «ADAC Motorwelt» intensiven Benzingeruch. Die Wand der Benzinpumpe war korrodiert.

Auch wenn nur bestätigt wurde, was der Hersteller empfohlen hatte, fördert das Resultat nicht das Image von E10. Bis 2014 soll die Biokraftstoffquote bei 6,25 Prozent bleiben - es muss also eine Lösung her, an Alternativvorschlägen mangelt es nicht. Immer wieder - auch Krawinkel bringt diese Idee ins Spiel - wird gefordert, statt der Beimischung wieder mehr auf den Absatz reinen Biodiesels zu setzen. So wären Autofahrer weitgehend außen vor - und müssten sich nicht ständig ärgern über das intransparente Dickicht aus Quoten, Strafzahlungen und der Umlage selbiger auf den Spritpreis.

Doch Steuervergünstigungen für Biodiesel soll es nur noch bis 2012 geben - und die neueren Motoren, etwa bei Lkw, vertragen so viel Bio im Tank nicht. Der Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell sieht dennoch hier die Lösung. «Die Bundesregierung weigert sich, das Scheitern ihrer E10-Biokraftstoffstrategie zur Kenntnis zu nehmen», kritisiert er. Anstatt zur bewährten Steuerbegünstigung zurück zu kehren, wolle sie reine Biokraftstoffe ab 2013 wieder voll besteuern. Er erinnert an die Chancen, wenn viele dezentrale Tankstellen in ländlichen Räumen entstehen und Menschen direkt beim Bauern tanken können.

Einen ähnlichen Vorstoß macht der Bundesverband Pflanzenöle (BVP) - sicher spielt hier auch Eigeninteresse eine Rolle. Der BVP fordert reine Pflanzenölkraftstoffe für die Land- und Forstwirtschaft. «Die bisherige Biokraftstoffpolitik befindet sich in einer Sackgasse», sagt Vorstand Thomas Kaiser. Auf rund drei Prozent der deutschen Ackerflächen könne der gesamte Kraftstoffbedarf der Land- und Forstwirte ohne Verdrängungswettbewerb zum Nahrungsmittelmarkt produziert werden. Die Verarbeitung der Energiepflanzen zu Öl könne in dem Netz der rund 600 dezentralen Ölmühlen erfolgen.

Im Hier und Jetzt muss aber zunächst der Verbraucher weiter zahlen - und zwar bis zu zwei Cent extra pro getanktem Liter Super mit fünf Prozent Ethanol (E5). Als Strafe sozusagen dafür, dass E10 gemieden wird.

Der Chef des Mineralölwirtschaftsverbands, Klaus Picard, findet es ungerechnet, dass die Mineralölbranche an den Pranger gestellt wird. Er warnt vor einer Täuschung der Verbraucher in der Debatte um Strafen wegen zu wenig verkauftem E10. Jedes Unternehmen sehe jeden Tag am Absatz, ob die Bioquote von 6,25 Prozent erreicht worden ist. Also nicht erst 2012, wie die Regierung betont. Daher gebe es auch keine vorauseilende Abzocke.

Picard versucht diese Aussagen mit einer Modellrechnung zu belegen. Demnach kommt man mit E5 und E10 derzeit nur auf eine Bioquote von etwa 3,52 Prozent. Allerdings stellt sich die Frage, was passiert, wenn die Mineralölbranche den Autofahrern im Wissen um das Defizit jetzt zu viel Geld abknöpft und die Biokraftstoffquotenstelle des Zolls in Cottbus 2012 letztlich auf gar keine Strafzahlungen für 2011 kommt? Dann hätte Picard ein Erklärungsproblem.

Verbraucherschätzer Krawinkel moniert, dass ganze Quotensystem sei höchst intransparent. Wie lange soll es also so weitergehen, dass Autofahrer für eine verkorkste Einführung und für ihre grundsätzlichen Zweifel bezahlen?

Umweltminister Röttgen macht bisher keine Anstalten, von E10 abzurücken. Sein Ministerium fordert lediglich eine Versachlichung der Debatte und verweist auf andere Instrumente zur Quotenerfüllung, wie mehr verkaufter Biodiesel B100. Picard betont, auch der Kauf von mehr B100 koste Geld. «Die Bioquote verursacht Kosten - egal wie sie erfüllt wird.» Wenn die Politik Klimaschutz durch Biokraftstoffe fordere, sollte sie auch den Mut haben, die Kosten zu kommunizieren. (dpa)
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