Die beteiligten Unternehmen bestätigten am Freitag die Milliardenprojekte, über die die «Financial Times Deutschland» (Freitag) berichtet hatte. Sie stünden aber noch ganz am Anfang. Angesichts der aufwändigen Planung und der Genehmigungsverfahren dürften die Trassen erst im kommenden Jahrzehnt entstehen.
Gedacht ist an drei Stränge: Eine 900 Kilometer lange Trasse von Nord- nach Süddeutschland, betrieben vom niederländischen Tennet-Konzern. Eine 600 Kilometer lange Ost-West-Trasse aus dem Raum Magdeburg ins Rhein-Main-Gebiet wird von Unternehmen 50Hertz Transmission erwogen. Amprion und
EnBW wollen eine Leitung aus dem Rheinland in den Raum Stuttgart errichten. Mit den Plänen wollen die Netzbetreiber die Energiewende vorantreiben.
Die Trassen könnten ein neues, übergeordnetes Stromnetz bilden, sagte ein Sprecher von 50Hertz am Freitag in Berlin. Dabei seien zwei Varianten möglich: Ein Netz mit einer Wechselspannung oberhalb der bisherigen Höchstspannungsebene von 380 Kilovolt oder eines mit Hochspannungs-Gleichstrom. Bei Gleichstrom ist der Energieverlust auf längeren Strecken geringer als bei Wechselstrom.
Ein übergeordnetes Netz für die Zeit nach 2020 war bereits Teil des Energiekonzepts der Bundesregierung vom Herbst 2010. Nun wird es konkreter. Amprion erstellt nach Angaben eines Sprecher derzeit eine Machbarkeitsstudie für sein Projekt. 50Hertz will mit einer solchen Untersuchung im Januar beginnen.
Bei der Bundesnetzagentur hat 50Hertz einen Antrag für eine erste, grundsätzliche Genehmigung des Projekts gestellt. Die Bonner Behörde prüft den Antrag jetzt, wie ein Sprecher sagte. Es gehe vor allem darum, ob das Vorhaben wirtschaftlich sei und in Übereinstimmung mit den Zielen der Bundesregierung stehe.
Bis Mitte 2012 müssen die Betreiber einen Netzentwicklungsplan vorlegen, der dann jährlich aktualisiert werden soll. Auf dem Weg dorthin wollen sie sich über die Trassenprojekte abstimmen, wie der Amprion-Sprecher sagte. Bei den Machbarkeitsstudien geht es um die genauen Kosten, den Trassenverlauf und die beste Technik.
Denkbar ist auch eine unterirdische Verlegung der Kabel, was jedoch mehr als Freileitungen kosten würde. Ein Kilometer Freileitung für das Höchstspannungsnetz kostet derzeit nach Angaben aus der Branche rund 1,2 Millionen Euro. Für Trassen unter der Erde könne bis zum Sechsfachen veranschlagt werden. Gleichstrom muss für die Nutzung in Haushalten und Betrieben wieder in Wechselstrom umgewandelt werden.
Die neuen Leitungen sollen nach dem Zeitungsbericht unterbrechungsfrei verlegt und teils auf bestehende Masten montiert werden, um Kosten zu sparen und Bürgerproteste gegen Neubauten zu reduzieren. Langfristig sei daran gedacht, die Leitungen ins Ausland fortzusetzen, hieß es bei den Unternehmen. Die Ost-West-Trasse könne etwa nach Polen im Osten und nach Frankreich im Südwesten weitergeführt werden, sagte der 50Hertz-Sprecher in Berlin. Nach Norden könnte das Netz bis Norwegen ausgebaut werden. Dortige Wasserkraftwerke könnten norddeutschen Windstrom speichern. (dpa)