(c) proplanta Selbst die vielen Solarzellen auf kommunalen Gebäuden, Einfamilienhäusern und Bauernhöfen sind heute nichts besonderes mehr. Trotzdem hat sich die Gemeinde mit ihren 2.500 Einwohnern über das Allgäu hinaus einen Namen gemacht.
Hier leben die Energiepioniere. Wildpoldsried gilt als Vorbild, wie die Energieversorgung irgendwann im ganzen Land aussehen könnte.
«Hunderte Bürger sind in das Thema Energie eingebunden, die Menschen hier stehen dahinter», sagt Bürgermeister Arno Zengerle.
Hier erzeugen Bauern Strom aus Biomasse, hier ist auf jedem vierten Dach eine Photovoltaikanlage, hier liefern drei kleine Wasserkraftanlagen Strom, hier sind zahlreiche Gebäude an das zentrale Nahwärmenetz angeschlossen, hier beteiligen sich Bürger mit Eigenkapital an Windkraftanlagen. Das Resultat: Wildpoldsried erzeugt heute bereits dreimal so viel Strom wie der Ort verbraucht.
Die Wildpoldsrieder produzieren damit eigentlich schon zu viel Strom. Dadurch wird das Netz belastet. Zudem schwankt die Energieversorgung durch Sonne und Wind. Derzeit wird in dem kleinen Ort daher getestet, wie sich die Energie intelligent steuern lässt.
Um eine zuverlässige Stromversorgung sicherzustellen, wurde 2011 das Projekt Irene (Integration Regenerativer Energien und Elektromobilität) ins Leben gerufen. Es testet den Aufbau eines intelligenten Stromnetzes, das automatisch für Stabilität im Netz sorgen soll.
Neben der Firma Siemens und dem regionalen Stromversorger Allgäuer Überlandwerk (AÜW) sind die Hochschule Kempten und die RWTH Aachen an dem auf zwei Jahre angelegten Pilotprojekt beteiligt. Irene kostet rund sechs Millionen Euro und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert.
In Wildpoldsried würden unter anderem die Einflüsse der Erzeugung regenerativer Energie auf das Netz untersucht, sagt Alexander Hammer, Projektleiter bei Siemens. Ziel ist es, den nötigen Netzausbau zu optimieren. Mit Irene werde ein Szenario erforscht, wie es in zehn Jahren flächendeckend in Deutschland eintreten könnte.
«Smart Grid», ein intelligentes Netz, gleiche Stromüberschuss und -mangel mit Hilfe zahlreicher Messstationen, regelbarer Netzelemente, einem elektrischen Speicher und einer leistungsfähigen Software aus, erklärt Hammer. Darüber hinaus werde mit Messungen und Webcams das Wetter beobachtet.
Mit diesen Hilfen wollen die Experten ein Bild davon bekommen, wer wann und wo Strom einspeist und entnimmt. Gibt es bundesweit eine intelligentere Stromsteuerung, könnte auch in ganz Deutschland der Netzausbaubedarf verringert werden.
In der Gemeinde nahe Kempten werden erneuerbare Energien seit mehr als 20 Jahren groß geschrieben. Dass sie heute in einer solchen Bandbreite erzeugt werden, sei den Bürgern zu verdanken, die den von der Gemeinde eingeschlagenen Weg mitgehen, sagte Bürgermeister Zengerle.
«Energie ist das Thema des Jahrhunderts und wird uns massiv beschäftigen. Aber wenn wir vor Ort dagegen sind, kommen wir nicht weiter.» Er sieht in der Energiewende eine riesige Chance besonders für die ländliche Region und ihre Bürger.
«Wo wollen sie in der Stadt Windräder aufstellen?», fragt Zengerle. «Auch bei uns wurde und wird über die Windräder diskutiert. Aber die große Mehrheit steht hinter den Anlagen.» Derzeit gebe es im Gemeindebereich fünf Windräder, die pro Jahr elf Gigawattstunden Strom erzeugen. Im Juli sollen zwei neue Anlagen ans Netz gehen.
«Mit den beiden neuen Anlagen wird die Gesamterzeugung deutlich über das Fünffache von dem liegen, was das Dorf mit seinen Gewerbebetrieben benötigt», kündigt der Bürgermeister einen noch stärkeren Beitrag zur Energiewende an. Im fernen Berlin würde sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sicher freuen, wenn es mehr solcher Wildpoldsrieds geben würde. (dpa)
|
|