(c) dkimages - fotolia.com Aus technischen Gründen müssen geringe Strommengen ungeklärter Herkunft über die Strombörse EEX oder aus dem allgemeinen Stromnetz auch an die Kunden von Ökostrom-Anbietern geliefert werden, teilten mehrere Unternehmen der Branche am Mittwoch mit. In den Werbeaussagen werde dieser Umstand nicht erwähnt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen forderte mehr Transparenz auf dem Ökostrommarkt. «Dem Kunden muss reiner Wein eingeschenkt werden», sagte Energieexperte Holger Krawinkel.
Auslöser für die Debatte war ein Bericht der «Financial Times Deutschland» (FTD) über den Hamburger Stromanbieter Lichtblick, in dem der Firma «Schummelei beim Ökostrom» vorgeworfen wurde.
Lichtblick verteidigte seine Praxis, Abweichungen zwischen der geplanten und der tatsächlich gelieferten Strommenge über die Leipziger Strombörse EEX auszugleichen. Das sei technisch gar nicht anders möglich und werde von allen Ökostrom-Anbietern in Deutschland so gehandhabt, sagte ein Unternehmenssprecher am Mittwoch in Hamburg.
Im übrigen sei diese Praxis seit zehn Jahren bekannt und vielfach auch öffentlich thematisiert worden. Per saldo sei rund 0,5 Prozent des von Lichtblick gelieferten Stroms «grauer» Strom, bei dem nicht feststellbar sei, wie er erzeugt wurde.
Die Umweltorganisation Greenpeace, die mit einer eigenen Stromfirma am Markt ist, wies diese Darstellung zurück. «Wir kaufen keinen Strom an der Börse», betont Robert Werner, Vorstandsmitglied von Greenpeace Energy.
«Unser Ökostrom stammt aus sauberen Kraftwerken, die in Lieferverträgen exakt definiert sind.» Eventuelle Differenzen zwischen Prognose und der eingekauften Menge gleiche Greenpeace Energy nicht mit Börsenstrom, sondern mit Hilfe «offener Lieferverträge» aus, bei denen die Liefermenge aus Ökokraftwerken täglich angepasst wird. Verbrauchsbedingte Schwankungen würden systembedingt vom örtlichen Netzbetreiber ausgeglichen.
Die Firma Lichtblick ist bereits wegen ihrer Werbeaussagen auf dem Gasmarkt ins Visier von Konkurrenten geraten. Der Wettbewerber Mitteldeutsche Gasversorgung (MITGAS) hat vor dem Landgericht Leipzig eine einstweilige Verfügung gegen Lichtblick erwirkt. Lichtblick vermittele mit irreführenden Aussagen den Eindruck, dass das Unternehmen ein Produkt aus der Region anbiete, bei dem mindestens fünf Prozent Bioerdgas dem herkömmlichen Erdgas beigemischt wird. Es sei derzeit nicht belegbar, das Bioerdgas ins Erdgasnetz eingespeist wird. Lichtblick habe die einstweilige Verfügung akzeptiert, in einer Erklärung die Unterlassung der Nutzung irreführender Werbeaussagen erklärt und ihren Internetauftritt entsprechend angepasst.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen forderte mehr Transparenz auf dem Ökostrommarkt. Die Angebote seien in den meisten Fällen nicht zu 100 Prozent als Ökostrom anzusehen. «Es ist eigentlich nur dann Ökostrom, wenn die Anbieter ihre Einnahmen daraus auch in Anlagen investieren, die über der gesetzlichen Verpflichtung hinaus zusätzlichen Ökostrom produzieren», sagte Energieexperte Krawinkel. Die Verbraucher seien oft gutgläubig und könnten nicht kontrollieren, was Ökostrom ist und was nicht. «Da helfen auch alle Siegel nicht.» Die Anbieter müssten daher klar deklarieren, woher ihr Ökostrom kommt.
Lichtblick will nach Angaben eines Sprechers nun darüber nachdenken, in seiner Werbung auf den unvermeidlichen Anteil von Strom aus Atom- oder Kohlekraftwerken hinzuweisen. Das Unternehmen, das in diesem Jahr einen Umsatz von 300 Millionen Euro anstrebt, wäre der erste Anbieter, der dieses Problem in der Werbung ausdrücklich anspricht. Lichtblick versorgt mehr als 400.000 Stromkunden und 13.000 Gaskunden. (dpa)
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