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06.01.2013 | 08:45 | Solarenergie 

Solarboom bittet Bürger zur Kasse

Berlin - Des einen Freud, des anderen Leid: 2012 wurde mal wieder der Rekord beim Bau neuer Solaranlagen gebrochen. Während die einen sich über gute Renditen und selbst erzeugten Strom freuen, müssen die anderen das bezahlen. Doch das wohl größte Kostenproblem kommt erst noch.

Solaranlage
(c) proplanta
Peter Altmaier glaubt an seine Solarreform. Der Bundesumweltminister lobt sie gern als Instrument, um endlich den deutschen Solarboom zu bändigen. Doch bevor sich ihre ganze Wirkung zeigen wird, muss Altmaier (CDU) erst einmal neue Rekordzahlen beim Bau von Solaranlagen für 2012 zur Kenntnis nehmen.

Das Gezerre vor dem Bund-Länder-Beschluss Ende Juni für Förderkürzungen hatte eine Art Schlusskauf ausgelöst. Denn alle wussten: Künftig gibt es weniger Geld. Altmaiers Problem: Was positiv für die Energiewende sein mag, kann neue Belastungen für die Stromrechnungen der Bürger bedeuten.

Nach 7.500 Megawatt installierter Solarleistung im Jahr 2011 kletterte der Wert im abgelaufenen Jahr auf 7630 Megawatt. Erreicht sind nun insgesamt schon 32.400 Megawatt. Zum Vergleich: Die neun noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland haben eine Leistung von rund 12.600 Megawatt.

Sie erzeugen aber mehr als dreimal so viel Strom wie die inzwischen 1,3 Millionen Solaranlagen, weil die Sonne halt nicht immer scheint. Zugleich hat der Solarstrom aber merklich die Einkaufspreise für Strom gesenkt und vermeidet durch die starke Zunahme hohe Kosten für fossile, klimaschädliche Brennstoffe.

Ein besonders großes Dilemma: Ein zu hohes Ausbautempo treibt die Förderkosten der Verbraucher. Sie müssen die Differenz zwischen dem am Markt für den Strom erzielten Preis und dem festen Fördersatz per Ökoenergie-Umlage über ihre Stromrechnung bezahlen. Die Vergütungen werden auf 20 Jahre für jede Kilowattstunde garantiert, der Posten bleibt also lange erhalten. 2013 werden wohl rund zehn Milliarden Euro nur an Vergütungen für Solarstrom verteilt.

Der Energieexperte Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte im Juni die Reform als «Kompromiss zulasten Dritter» bezeichnet und weit drastischere Einschnitte gefordert. Die schwarz-gelbe Bundesregierung werde als die erfolgreichste Solarregierung in die Geschichte eingehen, meint er.

«Aber zugleich auch als diejenige mit den höchsten Strompreissteigerungen.» Positiv findet Krawinkel, dass die neue Reform bei zu hohem Ausbautempo nun automatische, monatliche Förderkürzungen verankert hat, daher könnte die noch ausstehende Förderung nicht mehr so stark die Stromrechnungen belasten wie die bisher installierten Solaranlagen.

Ein Herzstück ist zudem, dass es bei installierten Leistung von 52.000 Megawatt für weitere Anlagen kein Geld mehr geben wird, sie müssen sich selbst tragen. Daher könnte schon Ende 2015 Schluss sein mit dem Geldsegen. Deshalb besteht zugleich die Gefahr eines weiter hohen Zubaus, da alle noch etwas vom Förderkuchen abhaben möchten.

Altmaiers Ministerium betont, mehr als 80 Prozent des Zubaus seien auf die Regelungen vor der Novelle zurückzuführen. «Seit Oktober geht der zuvor unkontrollierte Zubau der Photovoltaik signifikant zurück», sagt ein Sprecher. Aber auch wenn man die Zahlen seitdem hochrechnet, lässt sich der von Altmaier anvisierte Ausbaukorridor von 2.500 bis 3.500 Megawatt pro Jahr kaum einhalten. Daher ist Altmaiers angekündigtes Abbremsen längst nicht ausgemacht.

Der neuerliche Rekord geht vor allem noch auf das Konto des langen Streits von Amtsvorgänger Norbert Röttgen (CDU) mit den Ländern, die drastische Kürzungen im Bundesrat stoppten, schließlich profitieren viele Bürger und Unternehmen von dem Boom. Altmaier erzielte einen Monat nach der Amtsübernahme einen Kompromiss.

Dass trotz des Booms mehrere Solarunternehmen in die Insolvenz schlitterten, liegt am ruinösen Preiswettkampf der Konkurrenz aus China - und an fehlenden anderen großen Absatzmärkten. Zugleich ist das Kostensenkungspotenzial enorm, noch 2009 wurden über 40 Cent Vergütung je Kilowattstunde für eine Dachanlage gezahlt. Nun sind es nur noch 17 Cent - und noch immer ist das höchst lukrativ. Es ist sicher ein Signal, wenn US-Großinvestor Warren Buffett nun für rund 1,9 Milliarden Euro das weltgrößte Solarprojekt in Kalifornien übernimmt. Sein Riecher für die richtige Investition ist legendär.

Verbraucherschützer Krawinkel betont, dass beim Solarbereich von den Kosten her kaum noch was zu ändern sei. Das größte Kostenrisiko gehe künftig von der Windkraft auf See aus. «Daher muss dringend bei der Offshore-Windenergie das Tempo rausgenommen werden, sonst droht hier genau das gleiche», fordert Krawinkel. (dpa)
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