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11.01.2011 | 07:28 | Biomasseplantagen  

Weltweiter Ausbau von Energie aus Biomasse erfordert schwierige Abwägungen

Potsdam - Energie aus Pflanzen kann bis zu 20 Prozent des weltweiten Bedarfs an Strom und Wärme im Jahr 2050 decken, davon rund die Hälfte aus Biomasseplantagen - dies aber nur um den Preis einer deutlichen Ausweitung der Anbauflächen zu Lasten der Natur.

Energiehölzer
(c) proplanta
Das ist Ergebnis einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), „die erstmals das Potenzial und die Risiken der Energiegewinnung aus Biomasseplantagen in einer aufwändigen biogeochemischen Computersimulation ermittelt“, wie der Leitautor Tim Beringer erklärt. Die vom Menschen genutzte Landfläche würde sich je nach Szenario um zehn bis dreißig Prozent gegenüber dem heutigen Wert vergrößern, die nötige Bewässerung könnte sich im Extremfall verdoppeln.

Felder und Weiden für die Erzeugung von Lebensmitteln wurden in den Berechnungen der Wissenschaftler von einer Umwandlung in Plantagen für Energiepflanzen ausgenommen, weil diese Flächen nach Einschätzung der Wissenschaftler zur Ernährung der wachsenden Erdbevölkerung benötigt werden. Diese wird mit großer Wahrscheinlichkeit bis Mitte des Jahrhunderts um zwei Milliarden Menschen wachsen. Ausgenommen wurden zudem Gebiete unberührter Wildnis oder hoher Artenvielfalt sowie jene Wälder und Moore, welche auf natürliche Weise besonders große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid binden. Für die gesamte Erdoberfläche wurden die Wachstumsbedingungen von Gewächsen wie Pappeln, Eukalyptus oder Präriegräsern analysiert - also von Energiepflanzen der so genannten zweiten Generation, nicht jenen der ersten Generation, wozu Feldfrüchte wie Mais oder Raps zählen.

Die Computersimulation zeigt die räumliche Verteilung der nach diesen Kriterien möglichen Anbaugebiete. In diesen Gebieten wäre die Produktion von Bioenergie zwar umweltverträglicher als an anderen Orten. Jedoch würden von der Flächenumwandlung auch sensible Gebiete betroffen sein wie etwa in Südamerika die Feucht-Pampa, heißt es in der Untersuchung. Sie ist soeben in der Fachzeitschrift ‚Global Change Biology - Bioenergy’ erschienen. Das Projekt wurde vom Forschungsverbund der Leibniz-Gemeinschaft im Rahmen seiner Exzellenzförderung mit einer Million Euro finanziert.

Die Forscher rechneten eine ganze Reihe von Szenarien für Biomasseplantagen durch. Dies ergab Energieerträge zwischen 25 und 175 Exajoule jährlich: Geringe Werte bei einem strikten Schutz der Flächen und ohne Bewässerung, hohe Werte bei geringem Schutz der Flächen und starker Bewässerung. Ein mittleres Szenario brächte rund 100 Exajoule, bei einer geschätzten Verdoppelung des weltweiten Energiebedarfs von heute 500 auf 1.000 Exajoule im Jahr 2050. Zu der Energie aus Biomasseplantagen käme wahrscheinlich dieselbe Menge etwa aus landwirtschaftlichen Abfällen.

„Zahlreiche Studien zeigen, dass ohne Energie aus Biomasse ambitionierte Klimaschutzziele kaum erreichbar sind“, sagt der PIK-Forschungsbereichsleiter Wolfgang Lucht. Die Erderwärmung auf zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, mit einem Ausstieg aus den fossilen Energien, erfordere wohl unvermeidbar 20 Prozent Bioenergie.  „Wieviel Energie zu welchen Umweltkosten erzeugt werden kann, ist daher eine wichtige und immer noch strittige Frage.“ Speziell zur Biomasseproduktion angelegte Plantagen mit schnell wachsenden Pflanzen könnten nach Einschätzung der Wissenschaftler zukünftig eine besonders große Rolle spielen. Bestehende Studien zu deren Potenzial seien jedoch „vielfach zu optimistisch“ und vernachlässigten die Umweltkosten, sagt Lucht. Oft werde davon ausgegangen, dass Produktivitätssteigerungen der Bauern so stark ausfallen könnten, dass bedeutende Ackerflächen für den Anbau von Energiepflanzen frei würden. Dies vernachlässige aber, dass der Nahrungsbedarf wachse - und zugleich beispielsweise Wasserknappheit vielerorts intensive Landwirtschaft erschwere.

Die Umwandlung der Flächen trägt nach Einschätzung der PIK-Forscher nur dann zur Energiesicherheit und ländlichen Entwicklung bei, wenn sie international koordiniert und regional angepasst wird. Nützlich sein könnte hierbei eine Zertifizierung von Biomasseproduktion. Vor allem auch die verstärkte Nutzung landwirtschaftlicher Abfälle als Biomasse anstelle von eigens angebauten Pflanzen könnte ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit sein. (pik)
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