«Hier werden in der breiten Bevölkerung Hoffnungen auf sehr schnelle Impftermine geweckt, die nicht erfüllt werden können, und es wird viele enttäuschte Impfwillige geben», warnte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), Peter Noack, am Montag. Die aktuelle Diskussion sei wenig zielführend, wenn nicht sogar populistisch. Eine politische Entscheidung zur Freigabe der Impfung für weitere Menschen könnte an diesem Dienstag fallen.
Nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll ab dem 7. Juni keine Priorisierung mit einer festgelegten Reihenfolge mehr gelten. «Damit sind alle Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren berechtigt, einen
Impftermin zu vereinbaren», heißt es in einem Beschlussentwurf des Bundes für Beratungen mit den Gesundheitsministern der Länder am Montag. Er liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Die Ärzte wollen unterdessen über die Zukunft der Priorisierung und die Mangelverwaltung nach Angaben der KVBB am Dienstagabend mit Vertretern wichtiger Berufsverbände beraten. Die Vereinigung bedauerte, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) der Einladung zum Impfgipfel nicht folgen könne. Die Praxen erhielten in dieser und der kommenden Woche lediglich zwölf Impfdosen pro Arzt für Erstimpfungen, berichtete Noack. Die Priorisierung sollte erst fallen, wenn dauerhaft ausreichend Impfstoff verfügbar sei.
Brandenburg will mehr Menschen im Land ein Impfangebot gegen das Coronavirus machen und dafür die Prioritätsgruppe 3 vollständig freigeben. Das hatte der zuständige Steuerungsausschuss beschlossen. Bislang sind nicht alle Menschen, die zu dieser Gruppe gehören, impfberechtigt. Der Beschluss muss nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums noch durch das Impfkabinett bestätigt werden. Es soll nach Angaben der Staatskanzlei an diesem Dienstag zusammenkommen.
Die Gesundheitsämter haben 89 neue Corona-Ansteckungen innerhalb eines Tages gemeldet. Am Sonntag waren es 195 neue Corona-Fälle gewesen. Allerdings melden die Ämter Daten am Wochenende verzögert.
Zudem suchen an Feier- und Brückentagen weniger Menschen einen Arzt auf. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums vom Montag werden landesweit 269 Patienten wegen einer Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt, davon werden 85 intensivmedizinisch behandelt, hiervon müssen 73 beatmet werden.
Sinkende Infektionszahlen führen unterdessen zu lockereren Corona-Regeln. Gastronomie und Kultur im Freien sind von Freitag an voraussichtlich in weiten Teilen Brandenburgs unter bestimmten Bedingungen erlaubt - weitergehende Öffnungen lehnt die Landesregierung jedoch ab.
Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sagte am Montag im RBB-Inforadio: «Es wird eine ganze Menge an Pfingsten möglich sein, was vor einiger Zeit noch völlig undenkbar gewesen ist.» Man müsste aber stückweise öffnen, um nicht kurz darauf gezwungen zu sein, wieder zu schließen. Steinbach warnte vor einem «Jo-Jo-Effekt».
Maßgeblich ist die
Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in einem Landkreis innerhalb von sieben Tagen. Bei einem stabilen Wert unter 100 ist der Besuch von Gaststätten im Freien mit negativem Test und Termin, von Konzerten und Theater draußen mit Negativtest und bis zu 100 Leuten sowie das Übernachten in Ferienwohnungen, auf Campingplätzen und Charterbooten ab 21. Mai möglich. Absehbar ist, dass Cottbus und der Landkreis Elbe-Elster in der vergangenen Woche zu hohe Infektionszahlen hatten, um diese Voraussetzung zu erfüllen.
Unter 100 Neuinfektionen fällt auch die Ausgangsbeschränkung von 22 Uhr bis 5 Uhr weg. Die Polizei hat in den vergangenen vier Wochen in Brandenburg 117 Verstöße gegen die Regelung festgestellt. Fast ausnahmslos seien Personalien aufgenommen und Ordnungswidrigkeitsanzeigen erstattet worden, teilte das Polizeipräsidium des Landes in einer ersten Bilanz der Deutschen Presse-Agentur mit.
Insgesamt gab es demzufolge seit dem 19. April landesweit 427 sogenannte integrative Kontrollen, bei denen auch die nächtliche Ausgangsbeschränkung kontrolliert wurde. In etwa jedem vierten Fall konnten die kontrollierten Bürger die geforderten triftigen Gründe für einen Aufenthalt im Freien nicht nachweisen.
Die Brandenburger Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge regte unterdessen eine Verbesserung der App Luca an. «Wir denken schon, dass die digitalisierte Kontaktnachverfolgung allen hilft», sagte eine Sprecherin von Hartge der Deutschen Presse-Agentur.
«Man muss noch daran arbeiten.» So solle es Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz geben, weil ein Sammelbecken entstehe, wenn alle die Luca-App benutzten. Außerdem sei es wichtig, dass falsche Einträge verhindert würden. Die App soll nach dem Willen des Landes bei der digitalen Nachverfolgung von Kontaktpersonen bestätigter Covid-19-Fälle über das Smartphone helfen.