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28.02.2020 | 01:41 | Lungenkrankheit 

Coronaviruskrise auch in Deutschland - Potenzial einer Pandemie

Berlin - Beginn einer Epidemie: Das neuartige Coronavirus versetzt auch Deutschland in den Krisenmodus. In mehreren Bundesländern wird nach möglichen weiteren Sars-CoV-2-Infizierten gesucht.

Virenforschung
Hunderte in Quarantäne in Nordrhein-Westfalen, Deutschlands Industrie fürchtet Konjunkturfolgen, deutsche Behörden dehnen ihre Vorkehrungen aus. Das neuartige Coronavirus hat laut WHO «pandemisches Potenzial». (c) lightpoet - fotolia.com
Bis Donnerstagnachmittag waren elf Fälle bekannt, neu hinzu kam einer in Kaiserslautern. Nach den bisher bekannten Zahlen ist das neue Virus laut Robert Koch-Institut (RKI) tödlicher als die Grippe.

«Dieses Virus hat pandemisches Potenzial», sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Donnerstag in Genf. «Wenn wir nicht die richtigen Maßnahmen treffen, kann dieses Virus außer Kontrolle geraten.»

Ein Krisenstab der Bundesregierung von Gesundheits- und Innenministerium entschied, wegen der Verbreitung des Virus in weiten Teilen der Welt nicht mehr nur die Kontaktdaten von Fluggästen aus dem Ursprungsland China zu erfassen, sondern auch Passagiere von Flügen aus Südkorea, Japan, dem Iran und Italien.

Ziel ist, sie schnell erreichen zu können, falls herauskommt, dass ein Fluggast infiziert war. Solche «Aussteigekarten» sollen auch auf Schiffen sowie im grenzüberschreitenden Zug- und Busverkehr ausgefüllt werden, wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) betonten.

Das Virus führt bei deutschen Supermärkten mittlerweile zu einer verstärkten Nachfrage nach haltbaren Lebensmitteln und Hygieneprodukten, wie Aldi-Süd und Lidl auf dpa-Anfrage mitteilten.

Seehofer sagte, im Zuge der standardmäßigen Gesundheitsuntersuchungen würden Asylbewerber nun auch auf das neue Coronavirus getestet. Er verwies darauf, dass viele über «vorbelastete» Länder wie Iran, Irak oder Afghanistan nach Deutschland kämen. An diesem Freitag will sich der Krisenstab mit dem Umgang mit Großveranstaltungen befassen. Auf dem Prüfstand steht zum Beispiel die ITB in Berlin, die weltgrößte Tourismusmesse (4. bis 8. März).

Im Sport tobt schon eine Debatte über eine Olympia-Absage. Die Coronavirus-Epidemie macht vielen Top-Athleten Sorgen, doch fünf Monate vor Beginn der Olympischen Spiele in Tokio läuft bei den meisten die Vorbereitung nach Plan. Generelle Einschränkungen bei Sportveranstaltungen wie Spielen der Fußball-Bundesliga hält die Bundesregierung indes noch nicht für nötig.

Zur Bekämpfung des neuartigen Virus will die Bundesregierung bis zu 50 Millionen Euro zusätzlich an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zahlen. Darüber informierte das Finanzministerium nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur den Haushaltsausschuss des Bundestags.

Die WHO rechnet laut Finanzministerium mit einem Bedarf von 675 Millionen Dollar bis Ende April. Bisher sei nur ein Bruchteil davon durch die internationale Gemeinschaft zur Verfügung gestellt worden.

RKI-Präsident Lothar Wieler sagte am Donnerstag in Berlin, wie viel höher die Sterberate beim neuen Virus als bei der Grippe sei, sehe man erst nach dem Ende der Epidemie.

In mindestens 15 europäischen Ländern gibt es inzwischen Fälle, wie es vom europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hieß. Auch auf der vor Afrika liegenden spanischen Urlaubsinsel Teneriffa gibt es ein abgeriegeltes Hotel.

Sars-CoV-2 kann die Lungenkrankheit Covid-19 verursachen. Die meisten Infizierten haben nur leichte Erkältungssymptome wie Frösteln und Halsweh oder gar keine Symptome. 15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, sagte der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI) am Donnerstag. Sie bekommen etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzündung.

Nach bisherigen Zahlen sterben ein bis zwei Prozent der Sars-CoV-2-Infizierten, was höher als bei der Grippe ist. Das Virus verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion etwa beim Sprechen und Husten. Eine Ansteckung über Oberflächen gilt weiter als unwahrscheinlich. Das gilt für Lebensmittel ebenso wie für andere Waren. Regelmäßig gründliches Händewaschen gilt als der beste Schutz.

Die Behörden in vielen Ländern versuchen das Virus zum Teil mit drastischen Maßnahmen einzudämmen. Warum? Die Folgen, die ein Übergreifen von Sars-CoV-2 auf große Teile der Bevölkerung hätte, sind schwer abzuschätzen. Zudem gibt es anders als bei der Grippe weder einen Impfstoff noch speziell zugeschnittene Medikamente.

Die deutsche Industrie sieht das neuartige Coronavirus als «Stresstest» für die Wirtschaft und fürchtet Folgen für die Konjunktur. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang sagte: «Der Konjunktur drohen spürbare negative Effekte.»

Beim neuen Fall in Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz handelt es sich um einen Mann, der nach Angaben von Landesgesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) am Donnerstag selbst mit Symptomen in eine Klinik gekommen war. Er sei bis vor kurzem im Iran gewesen und habe dort Kontakt mit einer «symptomatisch auffälligen Person» gehabt, sagte die Ministerin.

Aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen waren bis Donnerstagnachmittag sechs Infizierte bekannt. Einer von ihnen - ein 41 Jahre alter Bundeswehrsoldat - wird in Rheinland-Pfalz behandelt.

Landrat Stephan Pusch sagte am Donnerstag, derzeit stünden im Kreis Heinsberg, dem westlichsten Kreis Deutschlands, rund 400 Menschen unter häuslicher Quarantäne. Betroffen seien vor allem Besucher einer Karnevalssitzung in Gangelt, die am 15. Februar ein infiziertes Paar besucht hatte. Die Maßnahme gelte auch für das Personal und Kinder des Kindergartens, in dem die Frau als Erzieherin beschäftigt ist.

Auch die Menschen, die mit diesen Betroffenen in einem Haushalt leben, sollen zu Hause bleiben, wie der Sprecher des Kreises sagte. Die Leute dürften 14 Tage lang ihre Wohnungen nicht verlassen und müssten sich von Freunden, Verwandten oder Nachbarn mit Lebensmitteln versorgen lassen, die dann die Einkäufe vor der Haustür abstellten. Viele könnten bereits Sonntag aufatmen, wenn sie bis dahin symptomfrei blieben. Dann sei die Inkubationszeit abgelaufen.

In Baden-Württemberg halten die Gesundheitsbehörden Familie, Freunde und Kollegen von vier Infizierten im Blick. Am Dienstagabend wurde ein Nachweis bei einem Italien-Rückkehrer in Göppingen bekannt. Nach Angaben der Behörden steht der Fall in Zusammenhang mit zwei Nachweisen in Tübingen. Bei einem Fall im Landkreis Rottweil war ein Mann mit seiner Familie aus einem Risikogebiet in Italien eingereist.

In Deutschland waren vor mehr als zwei Wochen insgesamt 16 Sars-CoV-2-Infektionen gemeldet geworden, die nicht zu weiteren bekannten Ansteckungen geführt haben.

Aus weiteren Ländern wurden erste Fälle gemeldet, etwa aus Israel, Dänemark, Norwegen, Estland und Rumänien. In Italien gibt es mit etwa 530 Infizierten und mindestens 14 Toten den größten Ausbruch Europas.

Außenminister Luigi Di Maio warnte davor, die Gefahren zu übertreiben. Der Tourismus leide bereits erheblich unter der Angst vor Ansteckung. Die meisten Fälle gibt es nach wie vor in der nördlichen Lombardei, gefolgt von Venetien und Emilia-Romagna.

Nach Warnungen der US-Gesundheitsbehörde CDC vor einer Ausbreitung des Virus auch in den USA warnte Präsident Donald Trump vor einer Panik. Das Risiko für Amerikaner sei weiterhin «sehr gering», meinte er bei einer Pressekonferenz. Trump schloss weitere Reiseeinschränkungen nicht aus. Derzeit dürfen Ausländer, die in den vergangenen 14 Tagen in China waren, nicht in die USA einreisen.

Saudi-Arabien schloss aus Sorge vor einer Verbreitung seine Grenzen für Pilgerreisen von Ausländern in die Städte Mekka und Medina.

In Südkorea verschieben die Streitkräfte des asiatischen Landes und der USA ihr Frühjahrsmanöver auf unbestimmte Zeit. Die Gesundheitsbehörden des Landes meldeten Donnerstag 505 neue Fälle und damit mehr als China. Die Zahl der Menschen, die sich nachweislich mit dem neuartigen Virus angesteckt haben, kletterte auf 1.766.

Japan will im Kampf gegen das neuartige Virus alle Schulen schließen. Die Maßnahme trete Montag in Kraft, sagte Premierminister Shinzo Abe am Donnerstag. Die Schließung soll demnach bis zum Beginn der zehntägigen Frühlingsferien Ende März gelten.

In China, dem Ursprungsland des Virus, stieg die Zahl erfasster Infektionen auf rund 78.500, die Zahl der Toten lag in der offiziellen Statistik für Festlandchina bei 2.744. Seit einer neuerlichen Änderung der Zählweise vergangene Woche hat sich der täglich berichtete Anstieg der neuen Infektionen mit dem Virus und der Todesfälle in der Statistik Chinas deutlich reduziert. Experten gehen von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.
dpa
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