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30.10.2009 | 18:14 | Gesundheitsforschung  

Impfstoff gegen Milzbrand

Stuttgart/Hohenheim - Milzbrand - eine gefährliche Infektion besonders für die Menschen und ihre Haustiere in Ländern Afrikas.

Impfstoff gegen Milzbrand
(c) Eisenhans - fotolia.com
Menschen stecken sich an Tieren, Häuten und anderen tierischen Produkten und Kadavern an. Die Ausbrüche können epidemieartig verlaufen. Wie der Erreger übertragen und verbreitet wird und wie man Infektionen vorbeugen kann, untersucht der Hohenheimer Veterinärmediziner und Mikrobiologe PD Dr. Wolfgang Beyer zusammen mit Partnern in Südafrika und Namibia. Ziel: ein Impfstoff für Tiere. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das deutsch-afrikanische Kooperationsprojekt für drei Jahre mit rund 700.000 Euro. Rund 500.000 davon gehen an die Universität Hohenheim, der Rest an die afrikanischen Partner.

„Seit 2001 gehören wir zu den Guten“, sagt PD Dr. Wolfgang Beyer, der seit 1992 in Hohenheim ist und über Milzbrand habilitierte. „Davor standen Institute, die an Milzbranderregern forschen, immer unter dem Generalverdacht, dass ihre Ergebnisse auch für Biowaffen missbraucht werden könnten.“ Doch im Zusammenhang mit den Ängsten vor Anthrax-Anschlägen im Nachgang des 11. September 2001 in den USA wurde das Hohenheimer Labor unter der Leitung von Prof. Dr. Reinhard Böhm aufgrund seiner über 20-jährigen Expertise zum Ausbildungslabor für alle mit Milzbrand befassten Labore in Deutschland. Bis heute arbeitet es als Konziliarlabor direkt mit den Referenzlaboratorien des Robert-Koch- und Friedrich-Löffler-Instituts zusammen.

Aber einen bioterroristischen Hintergrund hat PD Dr. Beyers Projekt überhaupt nicht: „Wir arbeiten mit den Menschen vor Ort zusammen, damit sie sich und ihre Tierherden besser vor Krankheitsausbrüchen schützen können und geben ihnen ganz konkrete Hilfe, wie sie sich verhalten sollen, zum Beispiel im Umgang mit Tierkadavern.“


Infektionen noch nach 100 Jahren möglich

In den entwickelten Industrieländern sei die Gefahr durch das hochgefährliche Bakterium weitgehend eingedämmt. Anders in Afrika, Asien und vielen Mittelmeerstaaten, wo Milzbrand-Infektionen noch Epidemien auslösen können. Die große Ansteckungsgefahr hat zwei wichtige Gründe. Milzbrand kann vom Tier auf den Menschen übertragen werden (sog. Zoonose), und der Erreger ist außergewöhnlich langlebig. „Nicht das Bakterium selbst, sondern seine Sporen“, erklärt PD Dr. Beyer. „Sie können sogar nach 100 Jahren noch Infektionen auslösen.“

Das macht das Milzbrand-Bakterium zu einem sog. Klasse-3-Erreger von vier Klassen, deren Gefährlichkeit von 1 zu 4 ansteigt. Dem Umgang mit toten Tieren kommt dabei besondere Bedeutung zu, denn nicht selten gelangen die Erreger in die Umwelt und lösen noch nach Jahrzehnten neue Krankheitsfälle aus.


Grundlagenforschung und konkrete Anwendung

Der Titel von PD Dr. Beyers Projekt: „Immunprophylaxe und molekulare Epidemiologie der Milzbrandinfektion und das Verhalten von Bacillus anthracis in lebenden Vektoren sowie in der Umwelt von Namibia und Südafrika“. Hinter dem sperrigen Titel verbergen sich vier sehr konkrete Arbeitspakete. Erstens untersuchen er und seine Arbeitsgruppe mit Hilfe der molekularen Epidemiologie, wie sich der Erreger zwischen Wild- und Haustierpopulationen und auf den Menschen überträgt. In sog. Ausbruchsanalysen wird analysiert, wie der Erreger sich verteilt und welche Verbreitungs- und Infektionswege er nimmt. „Unser Ziel ist, die Infektionskette an der Stelle vom Haustier zum Menschen sicher zu unterbrechen.“

Das zweite Paket ist Grundlagenforschung. Wie verhält sich der Erreger in verschiedenen Umgebungen (Boden, Wasser Luft, Viehtränken) und in lebenden Überträgern (sog. Vektoren)? „Das sind in Afrika vor allem Fliegen und Aasfresser wie Geier und Hyänen“, erläutert PD Dr. Beyer.


Tierimpfung zum Schutz der Menschen

Hier setzt das dritte Arbeitspaket an: einen neuen Impfstoff entwickeln und erproben. Den neuen Impfstoff will PD Dr. Beyer zusammen mit der Universität Pretoria an Ziegen testen. Fernziel ist eine Impfung für Tiere, die sie und damit die Menschen dauerhaft und flächendeckend vor einer Milzbrandinfektion schützt. Sind die Hohenheimer hier erfolgreich, kann das Projekt auf acht Jahre verlängert werden.

Der vierte Arbeitsbereich betrifft die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Partnern selbst. In Südafrika sind das neben der Universität Pretoria das renommierte Onderstepoort Veterinary Institute (OVI), das National Institute for Communicable Diseases (NICD) und die Staatsveterinäre des Krüger-Nationalparks. In Namibia arbeiten die Hohenheimer Forscher mit dem Agrar- und Umweltministerium (MET), dem staatlichen Veterinärlabor und mit dem Etosha Ecological Institute (EEI) des Etosha-Nationalparks zusammen und tauschen Wissenschaftler aus.


Arbeitsmethoden wie Verbrecherjäger

Methodisch arbeiten PD Dr. Beyer und seine Arbeitsgruppe (zwei Doktoranden und drei technische Assistenten in Voll- und Teilzeit) wie Kriminologen: „Wir nehmen Proben von Tieren und Menschen, isolieren DNA und vergleichen bestimmte genetische Marker. Auf diese Weise überführt auch die Polizei ihre Täter.“ Bei Milzbrand sind es 31 genetische Marker, nach der sich verschiedene Erregerstämme unterscheiden lassen. Bisher liegen 600 Proben vor, 390 sind untersucht und 157 Genotypen identifiziert.Die Analysen finden zum Teil direkt in Afrika, aber auch im Hohenheimer Labor statt. Der Versand nach Deutschland erfolgt nach internationalen Regelungen der WHO und UNO für spezialisierte Erregertransporte. Der wesentliche Unterschied zu den Kriminologen: Gefasste Verbrecher sind harmlos - Erreger bleiben gefährlich.


Scharfe Vorschriften und neue Labors

Zur eigenen Sicherheit arbeiten die Forscher deshalb an speziellen Sicherheitswerkbänken, in denen ständig die Luft abgesaugt und gefiltert wird. Für PD Dr. Beyer, der auch der Hohenheimer Sicherheitsbeauftragte für biologische Sicherheitsfragen ist, bleibt das Risiko vertretbar: „Es hängt vom Erreger ab. Die Sicherheitsregeln für den Umgang mit pathogenen Mikroorganismen in Deutschland schließen den Erreger vor dem Menschen weg.“ Für künftige Versuche wünscht sich PD Dr. Beyer ein Labor der Sicherheitsstufe 3 (S3), das den neuesten gesetzlichen Vorschriften genügt. Die Bauplanung dafür ist bereits abgeschlossen


Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Rund 26 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim allein im vergangenen Jahr - gut 20 % mehr als im Vorjahr. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer viertel Million Euro bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. (PD)
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