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13.05.2014 | 12:37 | Energieinitiativen 

Energiewende in Bürgerhand

Berlin / Feldheim - Feldheim ist ein wenig wie das berühmte gallische Dorf.

Strom aus Bürgerinitiativen
(c) proplanta
Die 135 Einwohner behaupten sich gegen ein schier übermächtiges Imperium der großen Energiekonzerne - mit ihrem eigenen Stromnetz, mit Windmühlen, Solarpark und Biogas.

«46 Häuser werden autark mit Strom versorgt», sagt Bürgermeister Michael Knape. Das meint er wörtlich, denn die Brandenburger erzeugen nicht nur Elektrizität und Wärme, sie haben auch ihr eigenes Netz gebaut. «Das hat in Deutschland noch niemand gemacht», sagt Knape.

Dabei ist Feldheim kein Vorzeige-Ökodorf. «Die Bürger haben schon nach der wirtschaftlichen Komponente gefragt», erinnert sich der Bürgermeister.

Zuerst mussten sie gemeinsam in die Tasche greifen: 1.500 Euro zahlte jeder Feldheimer für den Anschluss ans Stromnetz. Dafür hätten sie jetzt rund 40 Prozent weniger Stromkosten, sagt Knape. Eine Kilowattstunde kostet 16,6 Cent - auf dem Markt sind Preise von mehr als 26 Cent nicht ungewöhnlich.

Wie die Brandenburger nehmen in Deutschland immer mehr Bürger die Energiewende in die eigenen Hände. Einer Analyse im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien zufolge stammt jede zweite Kilowattstunde Ökostrom aus Anlagen in Bürgerhand. Längst entstehen Strom und Wärme in Kuhställen in Mecklenburg-Vorpommern oder Niedersachsen.

In Franken und Hessen produzieren Ökoinitiativen Windstrom. Vor den Toren Frankfurts wird Energie aus Hirse erzeugt - und Bier im Allgäu ausschließlich mit erneuerbaren Energien gebraut.

Besonders das Genossenschaftsmodell boomt. 888 Energie-Genossenschaften gibt das Kölner Klaus-Novy-Institut für 2013 an. Ihre Zahl habe sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als versechsfacht. «Die Energiegenossenschaften spielen insbesondere bei der Finanzierung der erneuerbaren Energien eine bedeutsame Rolle», erläutert auch die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert.

Derzeit sehe es aber so aus, als wolle die Politik die Energiewende ausbremsen, warnt die Expertin. Nach einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg im Auftrag von Naturschutzbund und Bündnis Bürgerenergie gefährdet die geplante Reform des Erneuerbare-Energien- Gesetzes (EEG) das Bürgerengagement. Kleine Ökostrom-Erzeuger würden benachteiligt, wenn sie vom Netzbetreiber keine Mindestvergütung mehr bekommen, sondern ihren Strom direkt vermarkten müssen.

Genau deshalb dächten viele Genossenschaften inzwischen nicht mehr nur an Stromproduktion, sondern an eigene Netze, sagt Luise Neumann-Cosel. Das mag in Feldheim noch überschaubar sein. Doch die junge Geoökologin hat Größeres vor: Sie will das Stromnetz der Hauptstadt übernehmen - zumindest ein Viertel davon. Ihre Genossenschaft, die BürgerEnergie Berlin, hat etwa 2.000 Mitglieder.

Zwischen neun und zehn Millionen Euro haben sie zusammenbekommen. Damit der Anteilskauf klappt, müssten es 100 Millionen Euro Eigenkapital werden - und Kredite für die restlichen 150 Millionen.

«Ein bisschen Größenwahn muss schon dabei sein», sagt Neumann-Cosel. «Die Idee drängt sich ja nicht gerade auf, das Stromnetz der Hauptstadt zu kaufen.» Doch bei Anti-Atom-Demos im Wendland hat sie die Macht der Bürger gespürt. Sobald sich abzeichne, dass der Kauf tatsächlich klappen könne, werde schon genug Geld zusammenkommen.

Was sind das für Leute, die solche Visionen haben? Zwar sind viele Energie-Genossenschaften auch gewinnorientierte Unternehmen. Den meisten Mitgliedern geht es der Leuphana-Studie zufolge aber um mehr als Rendite. Umweltschutz und das Vorantreiben der Energiewende seien die Hauptmotive.

«Die meisten Mitglieder sind Idealisten», sagt auch Neumann-Cosel. Man nennt sie auch Energierebellin. Ein wenig gehe es aber natürlich trotzdem um Geld - nicht den Verdienst des Einzelnen, sondern darum «diesen Geldstrom umzuleiten». (dpa)
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