Eine schwere Explosion brachte den Maschinenraum der Anlage in Sibirien zum Einsturz. Mindestens elf Arbeiter starben. Stunden nach der Detonation wurden noch mehr als 70 Menschen vermisst. Den Rettungskräften bot sich am Montag ein Bild des Grauens. Unter den Betontrümmern wurden viele weitere Opfer befürchtet. Elf Leichen waren bis zum Abend geborgen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (
CDU) und Außenminister Frank-Walter
Steinmeier (
SPD) bekundeten in Berlin ihr Beileid.
In der Umgebung der Anlage am Sajano-Schuschensker Stausee machte sich die Angst vor einem Bruch der Staumauer breit. Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu dementierte diese Gefahr auf einer vom Staatsfernsehen live ausgestrahlten Pressekonferenz. Wegen eines Schichtwechsels hätten sich zum Zeitpunkt der Detonation besonders viele Arbeiter bei den Turbinen aufgehalten, hieß es. Nach ersten Ermittlungen war kurz vor ein Uhr nachts Ortszeit ein Transformator in dem 1978 in Betrieb genommenen Kraftwerk explodiert, nachdem Wasser in zwei Lüftungsrohre eingedrungen war. Das Fernsehen zeigte Bilder des völlig zerstörten Maschinenraums mit herumliegenden Trümmern.
Die Staatsanwaltschaft habe ein Verfahren wegen Verletzung der Sicherheitsvorschriften eingeleitet, sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörden, Wladimir Markin, nach Angaben der Agentur Interfax. Laut Katastrophenschutz der Stadt Krasnojarsk wird die vollständige Reparatur der Anlage, die ein Aluminiumwerk des Oligarchen Oleg Deripaska mit Strom versorgt, vier Jahre oder länger dauern. In der Umgebung des Kraftwerks sei es zu Panikkäufen von Lebensmitteln gekommen, berichteten Medien in Moskau. Tausende Haushalte seien ohne Strom gewesen. Bewohner umliegender Orte befürchten wegen des Strommangels Versorgungsengpässe. Regierungschef Wladimir
Putin versprach den Angehörigen der Opfer die umfangreiche Hilfe des Staates und kündigte an, die Region mit Energie aus anderen Kraftwerken versorgen zu lassen.
Auch Präsident Dmitri Medwedew ließ sich ständig über die Lage informieren. Am Mittag trafen Psychologen in der Umgebung des Kraftwerks ein, um Angehörige zu betreuen. Auf dem 320 Kilometer langen Stausee bildete sich nach dem Unfall ein großer Ölteppich. Behörden zufolge bestand aber keine Gefahr für die Umwelt. Merkel bekundete in einem Schreiben an Medwedew ihr Beileid. «Mit Bestürzung habe ich von dem schrecklichen Unfall von Sajano Schuschenskaja im Osten Ihres Landes (...) erfahren», heißt es darin. Steinmeier äußerte in einem Telegramm an seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow ebenfalls seine Bestürzung: «Hierzu möchte ich Ihnen, Ihrer Regierung und den Bürgerinnen und Bürgern Russlands mein aufrichtiges Beileid und tief empfundenes Mitgefühl aussprechen.»
Die Havarie ließ bei den traditionell abergläubischen Russen viele Erinnerungen an vergangene August-Katastrophen wie den Untergang des Atom-U-Bootes «Kursk» vor neun Jahren wachwerden. Im August vor einem Jahr kämpfte Russland im Krieg gegen Georgien. Seit Tagen fragen sich viele Moskauer, von welchem Unglück das Riesenreich in diesem Jahr heimgesucht werde. Die Antwort lieferte nicht nur das Kraftwerk. Am Montag wurde das Land außerdem von einem Selbstmordanschlag in der Teilrepublik Inguschetien erschüttert. Dabei starben mindestens 20 Menschen und wurden mehr als 130 verletzt. Während viele die August-Tragödien als Fluch ansehen, erklären rationale Gemüter dies eher mit urlaubsbedingter Abwesenheit der Entscheidungsträger und Schlendrian. (dpa)