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06.02.2012 | 04:34 | Grüne Gentechnik 

Europa sucht die Hintertür: Nationale Gentechnik-Ausstiege trotz Binnenmarkt

Aachen - Unternehmen sollen darauf verzichten, Saatgut von gentechnisch veränderten Pflanzen in solchen EU-Ländern zu vermarkten, die das nicht wollen.

Gentechnik
Gentechnik (c) Darren Baker - fotolia.com
Mit diesem Vorschlag will die dänische EU-Ratspräsidentschaft die seit zwei Jahren festgefahrene Debatte neu beleben: Damals hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, dass einzelne Länder den Anbau von gv-Pflanzen auf ihrem Gebiet verbieten können. Mehrere EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, lehnen eine solche Re-Nationalisierung ab. - Gegen den "Ohne Gentechnik"-Trend sind in Spanien und Portugal 2011 die Anbauflächen für Bt-Mais auf neue Rekordhöhen gestiegen.

Dänemark, seit Jahresbeginn an der Spitze des EU-Rates, will Bewegung in die festgefahrene europäische Debatte über Grüne Gentechnik bringen. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, eine Lösung zu finden, der alle Mitgliedsstaaten zustimmen können", sagte ein Sprecher der dänischen Ratspräsidentschaft.

Der Anbau einer gentechnisch veränderten Pflanze in der EU, so der Kern des dänischen Vorstoßes, solle nur dann genehmigt werden, wenn die jeweiligen Unternehmen sich vor einer Zulassung verbindlich verpflichten, das Saatgut nicht in solchen Ländern zu vermarkten, die das nicht wollen. Eine Anbauzulassung für eine gv-Pflanze wäre damit weiterhin in der gesamten EU gültig, würde jedoch in bestimmten Ländern durch eine Vereinbarung zwischen Unternehmen und Regierung außer Kraft gesetzt.

"Das ist wahrscheinlich der letzte ernsthafte Versuch, um die politische Blockade zu überwinden", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Sprecher der Biotechnologie-Industrie. Seit Jahren erreichen Entscheidungen über GVO-Zulassungen nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten. Zulassungen über Anträge zum Import von GVO-Produkten werden von der EU-Kommission vollzogen, fällige Entscheidungen über Anbauzulassungen neuer gv-Pflanzen liegen trotz abgeschlossener Sicherheitsbewertung auf Eis.

Vor knapp zwei Jahren wollte EU-Verbraucherschutzkommissar John Dalli den gordischen Knoten durchlagen, indem einzelne EU-Länder das Recht erhalten sollten, den Anbau EU-weit zugelassener gv-Pflanzen auf ihrem Gebiet zu untersagen. Sie sollten sich dabei auf "sozioökonomische Gründe" berufen können - etwa den Schutz einer kleinteiligen Landwirtschaft oder eine Ablehnung in der Bevölkerung. Doch Dallis Vorschlag scheiterte an mehreren Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien. Es verstoße gegen die Verträge für einen gemeinsamen Binnenmarkt, wenn eine gv-Pflanze in einem Land angebaut werden dürfe, im anderen aber nicht. Andere befürchten eine schleichende Aushöhlung des EU-einheitlichen Zulassungsverfahrens und eine Abkehr von überprüfbaren wissenschaftlichen Kriterien.

Ob der neue dänische Vorschlag eine Chance hat, ist derzeit kaum abzusehen. Schon auf der kommenden Sitzung des Umweltministerrats im März soll eine Entscheidung herbeigeführt werden, so ein dänischer Sprecher.

Doch auch ohne den Streit um eine Re-Nationalisierung driftet Europa bei der Grünen Gentechnik längst auseinander. Viele Länder sind de facto bereits ausgestiegen: Erst kürzlich verkündete die französische Regierung,  trotz anderslautender Urteile des Europäischen Gerichtshofes und eines französischen Gerichts, am MON810-Verbot festhalten zu wollen. Inzwischen hat das US-Unternehmen Monsanto erklärt, in Frankreich kein MON810-Saatgut mehr verkaufen zu wollen. In Deutschland und fünf weiteren Ländern ist den Landwirten der Anbau von MON810-Mais ebenfalls nicht erlaubt. Auch die zweite zum Anbau in der EU zugelassene gv-Pflanze, die Stärkekartoffel Amflora, ist mit dem Rückzug der BASF aus Europa vom Markt genommen.

Nur zwei Länder folgen dem europäischen "Ohne Gentechnik"-Trend nicht: Spanien und Portugal. Dort sind 2011 die mit MON810-Mais bewirtschafteten Flächen deutlich gestiegen. In Spanien legten sie um etwa 20.000 auf nunmehr 97.000 Hektar zu und entsprechen damit einem Anteil von 26,5 Prozent an der spanischen Maiserzeugung. Auffällige Zuwächse gab es in Regionen, in denen der Schädlingsdruck durch den Maiszünsler besonders hoch war. In Portugal nahmen die Flächen 2011 sogar um gut 50 Prozent zu - auf nunmehr 7.700 Hektar bei einer Gesamtfläche für Mais von 97.000 Hektar. (TransGen)
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