Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
27.10.2009 | 09:14 | Gentechnik  

Was passiert, wenn Wildschwein und Damhirsch gentechnisch veränderten Mais naschen?

München - Hirschgulasch, Wildschweinbraten, Rehragout – im Herbst hat Wildfleisch in allen Variationen bei den Feinschmeckern Saison.

Was passiert, wenn Wildschwein und Damhirsch gentechnisch veränderten Mais naschen?
Seit allerdings weltweit immer mehr gentechnisch veränderter Mais angebaut wird, ist kritischen Verbrauchern der Appetit etwas vergangen. Schließlich wusste man bislang nicht, wie Wildtiere transgenen Mais verdauen und ob sich Reste nicht etwa im Fleisch ablagern. Molekularbiologen der Technischen Universität München (TUM) können diese Sorge jetzt entkräften - und die Sorge über eine ungewollte Ausbreitung von gentechnisch verändertem Mais per Wildtierkot auch.

Vor einigen Wochen konnte man es noch beobachten: Ganze Wildschwein-Großfamilien wühlen im Frühherbst auf dem Maisfeld und lassen sich die Kolben schmecken. Für heimische Wildtiere ist Mais eine energiereiche Delikatesse, daher kommt er auch gezielt bei der Winter- und Ablenkfütterung zum Einsatz. In Zeiten, in denen die Anbaufläche von GM-Mais (GM = genetically modified) auf der ganzen Welt stetig zunimmt, diskutieren Biologen aber eine heiß umstrittene Frage: Was passiert, wenn ein Wildschwein im transgenen Maisfeld nascht oder wenn Damhirsche im Winter mit importiertem GM-Mais gefüttert werden? Molekularbiologen der TUM können darauf jetzt die Antwort geben. 

Gefördert vom Bundesamt für Naturschutz, hat ein Forscherteam der TU München im Detail untersucht, wie Damhirsche (Dama dama) und Wildschweine (Sus scrofa) den GM-Mais verstoffwechseln und ob über ihren Kot womöglich keimfähiges transgenes Saatgut ungewollt in der Landschaft verteilt wird. Die Wissenschaftler um Prof. Heinrich H.D. Meyer vom Lehrstuhl für Physiologie fütterten dazu im Freigehege lebende Damhirsche und aufgestallte Wildschweine jeweils über mehrere Wochen hinweg gezielt mit gentechnisch verändertem Häcksel- und Körnermais. Die zugehörige Vergleichsgruppe bekam über den gleichen Zeitraum konventionellen Mais zu fressen. Währenddessen sammelten die Forscher Kotproben bei jeder Tiergruppe, um ihn später auf Keimfähigkeit zu analysieren.

Nach Abschluss des Versuchs nahmen die TUM-Physiologen bei allen Wildtieren mehrere Proben: aus dem Verdauungstrakt, aus sämtlichen inneren Organen, Blut sowie aus dem Muskelfleisch und anderen Geweben. Dann suchten sie mithilfe von immunologischen Verfahren und der Polymerasekettenreaktion nach transgenen Komponenten. Fündig wurden sie nur im Verdauungstrakt der GM-gefütterten Wildschweine: Hier waren kleine Bruchstücke des in den GM-Mais eingeschleusten Gens nachweisbar. Außerhalb des Darms fanden die Forscher allerdings nirgends eine Spur, weder im Gewebe von Wildschweinen noch bei den Damhirschen. Niemand muss also Sorge haben, wenn er sich ein Wildgericht schmecken lässt: „Das Fleisch der untersuchten Tiere war in jedem Fall frei von transgenen Komponenten“, so Prof. Meyer.

Öko-Landwirte und Naturschützer machen sich eher um eine unkontrollierte Ausbreitung von GM-Mais über den Kot von Wildtieren Gedanken. Doch auch hier kann Meyer Entwarnung geben. Sein Team untersuchte die gesammelten Kotproben auf intakte und keimfähige Maiskörner. Nur eine verschwindend geringe Zahl übersteht demnach überhaupt die Maul-Magen-Darm-Passage: Beim Wildschwein kamen gerade einmal noch 0,015 % der konventionellen und 0,009 % der transgenen Maiskörner unbeschädigt wieder ans Licht. Nur ein einziges Maispflänzchen konnte danach unter standardisierten Laborbedingungen wachsen, ein weiterer Keimling zeigte ein abnormes Wachstum. Die Damhirsche setzen dem Mais sogar noch mehr zu: In ihrem Kot wurde kein einziges intaktes und damit keimfähiges Maiskorn mehr gefunden. 

Die Verdauung funktioniert aber nicht für alle Saaten und bei allen Tierarten gleich gründlich, wie die Forscher ebenfalls zeigen konnten. Sie hatten alle untersuchten Tiergruppen zusätzlich mit konventionellem Raps gefüttert. Im Wildschwein-Kot fanden sie kein einziges intaktes Rapskorn - bei den Damhirschen hingegen mehrere, von denen 13,6 % sogar noch keimfähig waren. „Das zeigt, dass man solche Studien für alle gentechnisch veränderten Pflanzen separat durchführen muss“, fasst Prof. Meyer zusammen. (TUM)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Waschbären sind Gefahr für heimische Fauna

 Waschbären futtern sich durch den Südwesten

 Waschbären-Jagd nicht zielführend

 Zahl der Braunbären in französischen Pyrenäen steigt

 „Ohne GenTechnik“-Siegel - Rekordumsatz zum Jubiläum

  Kommentierte Artikel

 Geld wie Heu - Geht auf den Bauernhöfen wirklich die Post ab?

 Tote Ziegen im Schwarzwald gehen auf Rechnung eines Wolfs

 Gärtner verzweifeln über Superschnecke

 Bauerndemo in Brüssel für faire Preise

 Tierschutznovelle erntet Kritik von allen Seiten

 Online-Abstimmung über Verbrenner-Verbot manipuliert?

 Wut und Wahlen 2024: Die zunehmend mächtige Gruppe der Nichtwähler

 NRW-OVG verhandelt Streit um ein paar Gramm Wurst zu wenig

 Ruf nach Unterstützung der Imker

 Kein kräftiger Aufschwung in Sicht - Wirtschaftsweise für Pkw-Maut