"Die EU-Exporterstattungen für Milchprodukte und der Hunger in der Dritten Welt haben miteinander wenig bis gar nichts zu tun. Hier werden zwei Dinge unzulässig miteinander verknüpft. Durch die relative Stärke des Euro gegenüber anderen Währungen, wie dem US-Dollar, ist die Ausfuhr von EU-Milchprodukten in den vergangenen Jahren teurer geworden.
Aufgrund der mittlerweile wieder niedrigen Weltmarktpreise für Milchprodukte in Verbindung mit der global steigenden Produktion sind die Mitte Januar 2009 von der Europäischen Kommission wieder eingeführten Exporterstattungen kurzfristig eines der wenigen wirksamen Mittel, um einen Totalabsturz des Marktes und weitere Erzeugerpreisrückgänge zu verhindern.
Mittel- und langfristig ist jedoch eine Mengensteuerung, wie sie derzeit die
Milchquote darstellt, sicherlich das sinnvollere Instrument für eine stabile Entwicklung des Marktes zum Nutzen der Milchbauern und der Verbraucher", erklärte heute Gerhard Wlodkowski, Präsident der
Landwirtschaftskammer Österreich.
Kriseninstrument Exporterstattung
Österreich hat sich im Agrarministerrat gegen das Auslaufen der Milchquoten im Jahr 2015 ausgesprochen, da damit ein gefährlicher Anstieg der Milcherzeugung zu befürchten ist. In den Jahren 2007 und 2008 wurden alle Exporterstattungen und Interventionsmaßnahmen der EU auf null gestellt, um die Preisanstiege zu dämpfen. In Krisenzeiten ist die Gewährung von Exporterstattungen und Lagerbeihilfen für beschränkte Mengen aus landwirtschaftlicher Sicht ein wirksames Instrument zur Marktentlastung.
Faktum ist, dass der Rückgang der Weltmarktpreise bei Milchprodukten wie Milchpulver und Butter seit dem Sommer 2008 rund 40 % beträgt. Aufgrund der hohen Preise bei Milchpulver ist die Nachfrage damals global gefallen, die Produktion hingegen seither gestiegen. Für die Entwicklungsländer stehen somit wieder viel mehr Milchprodukte zu günstigeren Preisen zur Verfügung als noch vor einem Jahr.
"Dabei darf nicht übersehen werden, dass gerade in den Entwicklungsländern in Afrika und Fernost viele Menschen laktose-intolerant sind. Hier sind allzu große Vereinfachungen auch irreführend", ergänzte Wlodkowski.
Kammer gegen Produktionsausweitung
Die bäuerliche Interessenvertretung in Österreich hat sich aktiv gegen zusätzliche Produktionsausweitungen ausgesprochen, wie sie von der
EU-Kommission im März und November 2008 beschlossen wurden. Demnach soll jedes Jahr die EU-Milcherzeugung zusätzlich gesteigert werden.
Österreich hat schon vor mehr als einem Jahr vor unkalkulierbaren Risken auf den Märkten gewarnt, die nun mit dem Verfall der
Milchpreise in der ganzen EU eingetreten sind. Und die Talfahrt der Milchpreise hält weiterhin an. So wurden im Frühjahr 2008 Spitzenpreise bei Biomilch über 50 Cent/kg Erzeugerpreis gezahlt, in Österreich liegt das Preisniveau derzeit bei 30 Cent netto für Basisqualität, in Nordeuropa pendelt sich der Erzeugerpreis derzeit bei ca. 25 Cent/kg ein, in den mittel- und osteuropäischen Ländern sind dem Vernehmen nach
Erzeugerpreise bis zu 15 Cent für Kleinlieferanten festzustellen, die dort übrigens bereits zu breit angelegten Bauernprotesten führen.
WTO-Runde positiv nutzen
"Längerfristig kann den Entwicklungsländern nur ein gerechteres Handelssystem helfen. Diese WTO-Runde ist ursprünglich als Entwicklungsrunde gestartet worden. Davon ist leider gar nichts mehr zu bemerken. Bis zum Zeitpunkt der Unterbrechung im Vorjahr blieb die lebenswichtige Notwendigkeit für Entwicklungsländer, ihre eigene landwirtschaftliche Basis aufbauen zu können, um die Ernährungssicherheit der ländlichen Bevölkerung zu gewährleisten, völlig unbeachtet. Es geht den großen Überseeländern und der Industrie offensichtlich nur noch um Marktzugänge. Die Doha-Runde muss wieder zur Entwicklungsrunde werden", verlangte Wlodkowski.
"Unser nächster Kritikpunkt ist das völlige Verschwinden der nicht-handelsbezogenen Anliegen, wie Öko- oder Sozialdumping, aus den Verhandlungspapieren. Wenn diese WTO-Runde wieder gestartet wird, muss getrachtet werden, dass alle WTO-Mitglieder die gleichen Regeln für den Welthandel einhalten. Diese müssen es den Ländern erlauben, eine Politik umzusetzen, mit der den ernährungs- und landwirtschaftsrelevanten Ansprüchen ihrer Bürger entsprochen werden kann. Alle WTO-Mitglieder müssen das Recht haben, die nicht-handelsbezogenen Fragen in Sachen Ernährungssicherung,
Lebensmittelsicherheit, Umwelt, ländlicher Raum und Tierschutz gerecht zu werden. Außerdem sind verschärfte Regeln zum Schutz geografischer Angaben notwendig", so der LK-Präsident.
Hohe Importe in EU
"Sollten sich jedoch die Industrieanliegen durchsetzen, wäre nicht nur die Landwirtschaft in der EU selbst, sondern auch in vielen Ländern der Welt gefährdet. Dies wiederum hätte gravierende Konsequenzen für die Hälfte der Weltbevölkerung, die in ländlichen Gebieten, überwiegend in den ärmeren Entwicklungsländern, lebt. Es ist nicht sinnvoll, Handelsregeln aufzustellen, die letztlich die lebenswichtige Rolle der Landwirtschaft weltweit untergraben, wobei aber nicht einmal 10 % der gesamten Nahrungsmittelproduktion der Welt international gehandelt wird", so Wlodkowski. (aiz)