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26.02.2011 | 11:49 | Weltwirtschaft 

Neue Kurs für die Weltwirtschaft: Süd-Süd

Washington - Wenn Bonnie Galat sich durch den Reichtum ihrer Daten gräbt, kommt das ganze bunte Universum des Welthandels ans Licht.

Getreidepreise
(c) proplanta
Autoteile aus Thailand für Kunden in Haiti, Dünger aus dem Westjordanland für Malawi, Zement aus der Türkei für Sierra Leone. Und das seien nur die Exoten, sagt die Chefin des milliardenschweren Programms für Handelskreditabsicherungen der Internationalen Finanz-Corporation (IFC), einer Weltbank-Tochter. Satte 42 Prozent der Garantien nehmen Deals zwischen Firmen aus Schwellen- und Entwicklungsländern mittlerweile in ihrer Statistik ein. «Das ist ein großer Batzen unseres Programms», sagt sie.

Es sind Anzeichen eines gigantischen Trends: Aufstrebende Staaten wie China, Indien und Brasilien, die Habenichtse von einst, haben sich gegenseitig als Handelspartner und Investitionsziele entdeckt. Zunehmend kaufen und verkaufen sie Güter und Dienstleistungen untereinander. Bleiben Industriestaaten auf der Strecke?

Nach Zahlen der Welthandelsorganisation WTO explodierte der Anteil der Exporte von Schwellenstaaten in andere Entwicklungsländer von 29 Prozent 1990 auf 47 Prozent 2008. Erst im Dezember vereinbarten Indien und China, ihr jährliches Handelsvolumen bis 2015 auf 100 Milliarden Dollar (73 Mrd Euro) auszubauen - mehr als zweimal so viel wie derzeit. An einem einzigen Tag im Dezember unterzeichneten Firmen beider Länder 40 Deals über insgesamt 16 Milliarden Dollar.

Und es geht noch weiter: Ebenfalls binnen fünf Jahren wollen Indien und das südostasiatische Inselreich Indonesien ihren Handel auf 25 Milliarden Dollar verdoppeln.

Ökonomen bekommen ob der Aussichten leuchtende Augen. «Angesichts des zunehmenden Handels aufstrebender Länder untereinander könnten wir an der Schwelle eines neuen konjunkturellen «Goldenen Zeitalters» stehen, der Schwellenland-Version einer längeren Periode rapiden Wachstums, das man in den Industrieländern in den 50er und 60er Jahren gesehen hat», meint der Chefökonom der britischen Großbank HSBC, Stephen King. Sollten diese Länder ihre immer noch erheblichen Handelshindernisse beseitigen, «könnten wir eine Explosion des Welthandels von wahrhaft bedeutsamen Ausmaßen erleben».

Beispiel: Die Region Südasien und ihr Wirtschaftsdynamo Indien. Beinahe alle Handelstransaktionen, die das IFC-Programm dort mit Kreditgarantien absichert, haben mit anderen Schwellenländern zu tun. Indische Maschinen für Kenia, indische Solarzellen für Uganda, indischer Stahl für Vietnam und Bangladesch. «Indien stellt alles her», sagt Bonnie Galat. «Die Süd-Süd-Story in Asien ist gewaltig und die treibende Kraft ist Indien.»

Bei internationalen Geldströmen zeigt sich ein ähnliches Phänomen. 2008 stammte ein Drittel der 780 Milliarden Dollar an ausländischen Direktinvestitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern aus ebensolchen - Tendenz steigend. «Für Dutzende von Entwicklungs- und Schwellenländer», schreibt das «Wall Street Journal», «die sich nach Investoren jenseits der einst allmächtigen Wirtschaftsgrößen Europa, Japan und Nordamerika umtun, werden Süd-Süd-Investments zu einer zunehmend wichtigen Wachstumsstrategie».

Nach der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise waren es die aufstrebenden Staaten in Asien und Lateinamerika, die den globalen Konjunkturkarren aus dem Dreck zogen. «Wenn derselbe Trend wie zwischen 2000 und 2009 fortbesteht, werden Entwicklungsländer in etwa zehn Jahren mehr als die Hälfte des Welthandels bestreiten», meint der Vize-Generaldirektor der WTO, Harsha Singh. Und der Süd-Süd-Handel werde dann mehr als ein Viertel aller Exporte und Importe weltweit ausmachen.

Ganz vorne dabei ist - wieder einmal - China. Nach Zahlen der Weltbank tragen Geschäfte mit anderen Schwellen- und Entwicklungsländern derzeit zu etwa einem Viertel zum Handel der Volksrepublik bei. In zehn Jahren könnte es bereits die Hälfte sein, bis 2027 sogar 60 Prozent.

Dabei haben das Reich der Mitte und andere Aufsteiger Afrika fest im Visier. Zwischen 1995 und 2008 machte das Handelsvolumen zwischen dem schwarzen Kontinent und anderen Entwicklungländern einen Satz von 34 Milliarden auf 283 Milliarden Dollar. Der Handel mit Industriestaaten vervierfachte sich in dem Zeitraum lediglich.

Schon erheben sich warnende Stimmen, die eine neuerliche Ausbeutung des bitterarmen Kontinents am Horizont sehen. Afrika, mahnte unlängst die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), sollte dafür sorgen, dass die immer stärkere Verflechtung mit großen Schwellenstaaten wie China, Indien und Brasilien zu einer größeren wirtschaftlichen Bandbreite führt - «und nicht einfach zu einem Ausverkauf von afrikanischen Ressourcen und Rohstoffen». (dpa)
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