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26.12.2023 | 11:03 | Wahlkampfmanöver 

Von der Leyen verteilt vor den Europawahlen geschickt Weihnachtsgeschenke

Brüssel - Die Pläne der Europäischen Kommission, den Schutzstatus des Wolfs herabzustufen, stoßen in Brüssel erwartungsgemäß auf ein geteiltes Echo.

Wahlkampfmanöver - Von der Leyen
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Die EVP zeigt sich mit der Forderung der EU-Kommission nach einer Anpassung der Berner Konvention zufrieden. Deutliche Kritik gibt es dagegen erwartungsgemäß von den Umweltverbänden. (c) Christels - pixabay
Während der Vorstoß der Brüsseler Behörde am Mittwoch (20.12.) bei der Europäischen Volkspartei (EVP) auf Wohlwollen traf, warnte die Naturschutzseite vor einem Wahlkampfmanöver. Diese Entscheidung markiere „einen Wendepunkt in der Debatte um das Zusammenleben von Mensch und Natur“, hieß es vonseiten des Vorsitzenden des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins. Die vorgeschlagene Änderung der Berner Konvention sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, erklärte der CDU-Politiker. Er unterstrich zudem, dass im weiteren Prozess die Anpassung der Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie folgen müsse. Bekanntlich legt diese den Schutzstatus des Wolfs auf EU-Ebene fest.

Der EVP-Agrarpolitiker begründete seine Haltung damit, dass der Wolf vom gefährdeten Tier „zu einer massiven Bedrohung für den ländlichen Raum und insbesondere für die Weidehaltung“ geworden sei. Es sei „höchste Zeit“ gewesen, die Jahrzehnte zurückliegende Festlegung des Schutzstatus neu zu evaluieren. Nach der Ablehnung des Kommissionsvorschlags zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) durch das Europaparlament ist die geplante Absenkung des Schutzstatus nach Auffassung von Lins für die Landwirte „eine weitere gute Nachricht aus Brüssel“. Bundesumweltministerin Steffi Lemke forderte der CDU-Abgeordnete auf, jetzt „ein schnelles Signal der Zustimmung“ zu dem Kommissionsvorschlag nach Brüssel zu senden.

Auch der umweltpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Dr. Peter Liese, konstatierte, dass der Wolf nicht über dem Menschen und den Interessen der Weidetierhalter stehen dürfe. „Wölfe, die auffällig sind, müssen auch erschossen werden dürfen.“ Dankbar zeigte sich der CDU-Abgeordnete gegenüber Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen. Sie habe die Anliegen der Menschen im ländlichen Raum ernst genommen und den Vorschlag durchgesetzt.

Lob aus Finnland

Auch Finnlands Landwirtschaftsministerin Sari Essayah begrüßte den Anlauf der Kommission, den Schutzstatus des Wolfs herabsetzen zu wollen. Die Christdemokratin geht davon aus, dass die Ankündigung eine weitere aktive Einflussnahme auf die EU-Großwildpolitik und nationale Maßnahmen anregen wird. „Wir werden unsere aktive Lobbyarbeit bei der EU ohne Unterbrechung fortsetzen.“ Gleichzeitig kündigte die Agrarressortchefin in Helsinki an, auf nationaler Ebene eine reibungslosere, schadensabhängige Ausnahmeregelung umsetzen zu wollen. Essayah zufolge wird eine entsprechende Arbeitsgruppe bereits im Januar im Ministerium dazu die Arbeit aufnehmen.

Der FDP-Europapolitiker Jan-Christoph Oetjen sieht in der Ankündigung der EU-Kommission einen ersten wichtigen Schritt. Partielle Absenkungen des Schutzstatus in der FFH-Richtlinie vorzunehmen, wären laut Oetjen allerdings schon heute möglich. Einige Mitgliedstaaten würden davon Gebrauch machen. Die Bundesregierung forderte der Liberale dazu auf, einen Antrag bei der EU-Kommission zu stellen, damit in Deutschland schon jetzt der Schutzstatus des Wolfes der Realität angepasst werden könne.

Jäger begrüßen Vorstoß Begrüßt wurde das Vorhaben der Kommission auch vom Europäischen Dachverband für Jagd und Naturschutz (FACE betonte, dass dies nichts an der rechtlichen Verpflichtung, Wölfe in Europa zu erhalten, ändern würde. Der Vorteil sei jedoch, dass dadurch ein anpassungsfähiges Management ermöglicht werde. Schließlich sei der Wolf in der Regel nicht mehr akut bedroht und seine Populationen würden stetig wachsen, gab FACE zu bedenken. Um das derzeitige hohe Maß an Konflikten zu überwinden, sei es notwendig, zu einer Situation zurückkehren, in der gleichzeitig eine Bestandsregulation und die Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungsstatus stattfänden.

Ein „verfrühtes Weihnachtsgeschenk“

Derweil wittert der Policy-Manager für Biodiversität und Wasser beim Europäischen Umweltbüro (EEB), Sergiy Moroz, in dem Vorschlag der Kommission ein Wahlkampfmanöver. Das Vorpreschen von der Leyens sei „ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk“ an ihre politische Familie, die EVP. Von der Leyen wolle sich vor den Europawahlen als Verteidigerin der Landwirtschaft und der ländlichen Gemeinden positionieren.

Laut Moroz ist der Vorschlag weder wissenschaftlich begründet, noch entspricht er der öffentlichen Meinung. Die Internationale Union zur Erhaltung der Natur (IUCN) betonte, dass von den neun grenzüberschreitenden Wolfspopulationen in der EU sechs als gefährdet oder nahezu gefährdet eingestuft werden. Der Vorschlag der Europäischen Kommission stelle daher „ein echtes Risiko für den Schutz der Art auf europäischem Boden“ dar. Indem die Kommission fordert, das Schutzniveau über die Berner Konvention zu schwächen, gefährde sie auch die Erhaltung von Arten und natürlichen Lebensräumen insgesamt.

Unterdessen pocht der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger, in Richtung der österreichischen Umweltministerin Leonore Gewessler darauf, den Empfehlungen der EU-Kommission zu folgen und entsprechend zu handeln. Mittlerweile sei im ganzen Alpenraum klar bewiesen, dass der so oft beschworene Herdenschutz nicht funktioniere.

Lemke warnt vor „Angriff“ auf das Artenschutzrecht

Der Vorschlag der Europäischen Kommission, den Schutzstatus des Wolfes zu senken, ist in Deutschland erwartungsgemäß auf ein geteiltes Echo gestoßen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke warnte vor einem „Angriff auf das europäische Artenschutzrecht“. Brüssel solle sich nicht nur auf den Wolf fokussieren, sondern auch konkrete und zielführende Vorschläge gegen das Artensterben vorlegen.

In Hinblick speziell auf den Umgang mit dem Wolf erinnerte die Grünen-Politikerin daran, dass ihr Vorstoß für Schnellabschüsse von Problemwölfen in Gebieten mit erhöhtem Rissaufkommen kürzlich auf der Umweltministerkonferenz (UMK) beschlossen worden sei. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag begrüßte den Vorschlag der EU-Kommission und richtete einen Handlungsaufruf an Lemke.

Mit der Entscheidung auf EU-Ebene entfalle deren „letztes vermeintliches Argument gegen ein vorbeugendes Bestandsmanagement“, erklärte der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Steffen Bilger. Ohne eine härtere Gangart und weniger Schutzauflagen für den Wolf sei die Weidetierhaltung in vielen Regionen Europas existenziell gefährdet.

„Wir werden jetzt sehr genau darauf achten, dass Bundesumweltministerin Steffi Lemke diesen neuen Pragmatismus nicht hintertreibt“, sagte Bilger. Breite Zustimmung für die Ankündigung der EU-Kommission kam von der bayerischen Landesregierung, konkret von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Umweltminister Torsten Glauber und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.

Die Berner Konvention und die Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie müssten jetzt schnell geändert und das jeweilige nationale Recht angepasst werden. Kaniber appellierte an die Bundesregierung, ihre Verantwortung für die heimischen Nutztiere ernst zu nehmen. Inzwischen sei die Weidetierhaltung gefährdet, nicht mehr der Wolf. Der Deutsche Bauernverband (DBV) bezeichnete den Vorstoß der EU-Kommission als „längst überfälligen Schritt“.

UMK-Beschlüsse „wirkungslose Nebelkerzen“

Damit sei der Einstieg in eine Regulierung des Wolfes gerechtfertigt, so DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Einer Änderung des Schutzstatus in der Berner Konvention müsse auch umgehend eine Änderung des Schutzstatus in der FFH-Richtlinie folgen.

An die Bundesregierung appellierte Krüsken, unabhängig von der Änderung der Berner Konvention die Forderung der EU-Kommission umzusetzen, beim Umgang mit dem Wolf alle Spielräume des europäischen Naturschutzrechts zu nutzen. Hierfür müsse dieses unverzüglich vollständig in nationales Recht umgesetzt werden. Dies betreffe etwa die Übernahme aller möglichen Ausnahmen vom strengen Schutz des Wolfs aus der FFH-Richtlinie.

Die Bundesregierung dürfe nicht länger europäisches Recht zu Lasten der Weidetierhalter strenger umsetzen, so der DBV-Generalsekretär. Ein vorbeugender Herdenschutz durch eine Regulierung des Wolfsbestandes sei EU-rechtlich möglich und geboten, um die Weidetierhaltung und die gesellschaftliche Akzeptanz des Wolfs zu sichern.

Der Deutsche Jagdverband (DJV) verlangte von der Bundesregierung, „endlich“ das im Koalitionsvertrag vereinbarte regional differenzierte Bestandsmanagement umzusetzen. Die als Durchbruch gefeierten Beschlüsse der jüngsten UMK seien lediglich „wirkungslose Nebelkerzen“, so DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke.

Herdenschutz entscheidend

Auch die Deutsche Wildtier Stiftung begrüßte den Vorstoß aus Brüssel. Aufgrund der Populationsentwicklung des Wolfes sei eine Anpassung des rechtlichen Schutzstatus gerechtfertigt.

Zudem würde der Wolf durch eine Herabstufung des Schutzstatus nicht grundsätzlich zum Abschuss freigegeben. Es würde aber der Weg frei gemacht für ein langfristiges Miteinander von Wildtier und Mensch. Selbstverständlich müsste die Entwicklung der europäischen Wolfspopulation weiterhin engmaschig beobachtet werden, um jederzeit nachsteuern zu können.

Laute Kritik kam hingegen vom Deutschen Tierschutzbund. Die Entscheidung der EU-Kommission sei nicht fachlich, sondern politisch motiviert. Offenbar wolle man es vor allem dem „konservativen Lager sowie deren Lobbygruppen recht machen“. Es sei nun an Deutschland, sich innerhalb der EU entsprechend zu positionieren und sich für den Erhalt des strengen Schutzstatus auszusprechen.

Derselbe Appell kam vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Mit einer Absenkung des Schutzstatus wäre der Weidetierhaltung nicht geholfen. Nicht die Konzentration von Wölfen entscheide über das Risiko von Nutztierübergriffen, sondern der vorhandene Herdenschutz.
AgE
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