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27.01.2011 | 14:44 | EU-Agrarpolitik 

EU-Agrarrat im Zeichen der Stabilisierung des Schweinemarktes

Wien - Die Schweinefleischpreise sollen kurzfristig mit Hilfe einer Einlagerung stabilisiert werden.

Gemeinsame Agrarpolitik
(c) proplanta

Die an vorderster Front auch von Österreichs Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich geforderten Beihilfen für die Private Lagerhaltung wurden am Dienstag von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos beim Landwirtschaftsministerrat in Brüssel angekündigt.

Der Vorschlag soll noch in dieser Woche im Verwaltungsausschuss verabschiedet werden. Außerdem möchte der Kommissar als mittelfristige Antwort auf das Problem einen Expertenausschuss nach Vorbild der High Level-Gruppe Milch einberufen. Im Rahmen dessen sollen weitere Maßnahmen diskutiert werden, wobei der Fokus auf drei Punkte gelegt wird, die zu prüfen sind. So erwägt die EU-Kommission mögliche Versicherungslösungen für die Erzeuger und eine Förderung des EU-Schweinefleischabsatzes in Drittländern. Drittens sollen weitere Marktmanagement-Maßnahmen für Krisenzeiten von der Expertengruppe angedacht und erarbeitet werden, um diese in die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) einfließen zu lassen. Allerdings müssten dann rasch Ergebnisse vorliegen, betonte Ciolos. Zusammensetzen soll sich die Expertengruppe aus Branchenvertretern des beratenden Ausschusses und den nationalen Fachbeamten des Verwaltungsausschusses. Weitere wichtige Themen waren das sogenannte Greening, also die noch umweltfreundlichere Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Zeit nach 2013, und die Bienengesundheit.


Berlakovich: Wichtiger Erfolg für unsere Bauern und Konsumenten 
 
Als "wichtigen Erfolg für unsere Bauern und Konsumenten" bezeichnete Berlakovich die Ankündigungen der EU-Kommission im Schweinefleischbereich. Insbesondere zeigte er sich erfreut, dass Österreichs Forderung nach privater Lagerhaltung nun tatsächlich umgesetzt werde. Dieses rasche Vorgehen habe deutlich gemacht, dass Europa handlungsfähig sei. "Die Private Lagerhaltung ist ein wichtiges Signal zur Stabilisierung des europäischen Schweinemarktes. Die Initiative Österreichs - gemeinsam mit Belgien, Frankreich, Irland und anderen - fand schon im Laufe der vergangenen Woche immer mehr Anhänger", so Berlakovich, der begeistert war, dass schlussendlich 15 Länder aktiv diese Forderung unterstützt haben. "Das war der entscheidende Anstoß für die Kommission, sich für die Private Lagerhaltung auszusprechen", so Berlakovich, der außerdem bereits in der vergangenen Woche gemeinsam mit der LK Österreich und dem Österreichischen Bauernbund ein 5-Punkte-Sofortprogramm für die heimischen Schweinebauern präsentiert hatte. Ciolos und sein Sprecher Roger Waite hatten - wie berichtet - bereits am vergangenen Donnerstag auf der Grünen Woche gegenüber aiz.info Bereitschaft signalisiert, etwas für die Schweineerzeuger zu unternehmen. 

 
Pernkopf begrüßt Private Lagerhaltung und 5-Punkte-Sofortprogramm 
 
"Angesichts des Dioxin-Skandals in Deutschland mussten schnelle Maßnahmen ergriffen werden, um einen Schweinepreisverfall auch in Österreich zu verhindern. Berlakovich hat in Brüssel die Private Lagerhaltung gegen Widerstände durchgesetzt. Dies begrüßen wir in Niederösterreich ausdrücklich", betonte Landesrat Stephan Pernkopf zu der jüngsten Einigung der EU-Agrarminister in Brüssel. Ferner lobte Pernkopf auch das von Berlakovich präsentierte 5-Punkte-Programm für die heimischen Schweinbauern und appellierte an die Konsumenten, beim Kauf auf österreichische Herkunft zu achten, wobei das AMA-Gütesiegel beste heimische Qualität garantiere. 

 
Deutsche Anti-Dioxinmaßnahmen von EU teilweise mitgetragen 
 
Ferner konnte Deutschland beim Rat nur einen Teil seiner Maßnahmen gegen künftige Dioxinverunreinigungen auf europäischer Ebene verankern. Die EU-Kommission lehne eine Positivliste mit zugelassenen Futtermitten ab, betonte EU-Verbraucherkommissar John Dalli auf dem EU-Agrarrat in Brüssel. Pflanzliche Futterfette und Fettsäuren hätten auf einer solchen Liste gestanden und die Dioxinverunreinigungen wären trotzdem passiert, begründete Dalli seine Ablehnung. Ohne Zustimmung der EU wird Aigner nun national eine Positivliste festsetzen. Diese ist im Gegensatz zu einer EU-Liste nicht bindend. Auch mit einer verschärften Haftung für die Futtermittelanbieter kommt die deutsche Ministerin in Brüssel nicht durch. Die Kommission möchte die Haftungsfragen in den Händen der EU-Mitgliedstaaten belassen. 
 
Alle übrigen Punkte des deutschen Krisenplans werden von der EU-Kommission hingegen mitgetragen. Die Fettmischer müssen ihre Anlagen für Futter- und technische Fette zukünftig trennen und bekommen nur noch nach einer staatlichen Überprüfung die Zulassung. Diese geplante Trennung wird auch von Berlakovich ausdrücklich befürwortet. Außerdem sollen Dioxinkontrollen vorgeschrieben werden, vor allem für die Fettmischer. Die Kommission denkt an eine Kontrolldichte von je 200 t Futterfett, die in Belgien für tierische Substanzen schon besteht. Doch auch die Mischfutterhersteller sollen risikobelastete Rohstoffe einer verschärften Eingangskontrolle unterziehen. Private Labors, die im Rahmen der Eigenkontrollen Dioxinuntersuchungen durchführen, sollen verpflichtet werden, ihre Ergebnisse den staatlichen Behörden grundsätzlich zur Verfügung zu stellen. Dies mussten sie bisher nur, wenn Grenzwerte überschritten wurden. 

 
EU-Kommission kritisiert Importstopps einiger Länder 
 
Verbraucherkommissar Dalli will sein 4-Punkte-Programm möglichst rasch dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette vorlegen. Mit einem Einverständnis der EU-Mitgliedstaaten ist zu rechnen, nachdem die Minister im Rat schon ihre Zustimmung signalisiert haben. Ungarn ist zurzeit das einzige EU-Mitgliedsland, das Importe von Schweinefleisch aus Deutschland blockiert. 100% der Lieferungen müssten dabei auf Dioxin getestet werden, kritisierte die EU-Kommission gestern in Brüssel. Das sei übertrieben. Außerdem würden die Kontrollen privaten Stellen überlassen, deren Vorgangsweise nicht immer durchsichtig sei. Die Kommission warnt vor Verstößen gegen den EU-Binnenmarkt. Der ungarische Landwirtschaftsminister Sandor Fazekas sagte am Rande des EU-Agrarministerrates zu, bis Mittwoch seine Auflagen zu entschärfen. Die EU-Kommission hielt ferner fest, dass Südkorea, China und Weißrussland Schweinefleisch-Lieferungen aus ebenso Deutschland verbieten. Auch Russland als wichtigster Kunde hat heute mit sofortiger Wirkung die Einfuhr untersagt. 

 
Greening der GAP beschäftigt EU-Agrarminister 
 
Nachdem Dioxin und seine Folgen einen großen Teil des Rates belegten, blieben nur gut zwei Stunden für die Debatte über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Alle Minister betonten in ihren fünfminütigen Statements, wie wichtig ihnen die Umwelt sei und dass diese in der GAP berücksichtigt werden müsse. Zum Konzept der Kommission mit neuen Umweltprämien in der ersten Säule der GAP bekannte sich aber kein einziges EU-Mitgliedsland. Frankreich und Deutschland wollen eine starke erste Säule mit ihren Direktzahlungen an Landwirte auch nach 2013 erhalten. Zusätzlich Auflagen an die Erzeugung lehnen sie ab. Das Vereinigte Königreich, Schweden und mehrere andere EU-Mitgliedstaaten möchten die Umweltanreize in der zweiten Säule der GAP ausbauen und die Direktzahlungen dafür kürzen. Einig zeigten sich die meisten Minister zudem, die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete in der zweiten Säule der GAP zu belassen. 

 
Komplexität und Bürokratie infolge des GAP-Greenings vermeiden 
 
Österreich hält die bestehende Zwei-Säulenstruktur für sehr geeignet zur Sicherstellung einer nachhaltigen Bewirtschaftungsweise und von öffentlichen Umweltleistungen. Insbesondere fanden die ausgezeichneten Erfahrungen unseres Landes mit dem Agrar-Umweltprogramm ÖPUL und der Biolandwirtschaft Erwähnung. Das in der Mitteilung vorgeschlagene Umsetzungsmodell des sogenannten Greenings der GAP müsse aber nochmals reflektiert werden, um zu viel Komplexität und Bürokratismus zu vermeiden, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium. Die vorgeschlagene Ökokomponente würde sehr stark in die zweite Säule eingreifen. Als zielführender wird von Österreich etwa die Schaffung einer "ökologisierten Betriebsprämie" und der Ausbau der Regelungen zur Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in "gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand" (GLÖZ) erachtet. Auch für die Anpassung an den Klimawandel bieten beide Säulen laut dem Ressort gute Möglichkeiten. Die Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums können beispielsweise einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung wesentlicher Bodeneigenschaften und der Ausbildung sowie zur Verringerung der Emissionen aus der Tierhaltung leisten. Dies ist zum Teil auch durch GLÖZ im Rahmen der ersten Säule möglich, so das Landwirtschaftsministerium. 
 
Ciolos lobte das Umweltengagement der Minister und warb für seine Umweltprämien in der ersten Säule. Es müsse eine globale Antwort für die zentralen Themen Umwelt, Einkommen und ländlicher Raum geben werden, erklärte Ciolos. Das habe auch etwas mit Masse zu tun. Bleibe es ausschließlich bei den regionalen Agrarumweltprogrammen der zweiten Säule, drohe eine EU mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, meinte der EU-Kommissar. 

 
Österreich befürwortet Initiativen für Bienengesundheit

Weiters stellte die EU-Kommission eine Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat zum Schutz der Honigbienen vor. "Unsere Landwirtschaft wäre ohne eine Bestäubung der Pflanzen durch die Bienen undenkbar", betonte Berlakovich. Da international verstärkt Bienenverluste zu beobachten sind, befürwortet Österreich jede Initiative, die zur Aufrechterhaltung und Förderung der Gesundheit dieser Insektenpopulationen dient. (BMLFUW/AIZ)

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