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01.06.2012 | 14:32 | Arbeitsmarkt  

Deutsches Jobwunder verliert an Tempo

Nürnberg - Die Entwicklung zeichnete sich schon seit dem Jahreswechsel ab, die endgültige Bestätigung lieferte jetzt die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA): Der deutsche Job-Boom verliert zunehmend an Tempo.

Arbeitsmarkt
(c) proplanta
Zwar lag die Zahl der Arbeitslosen im Mai mit 2,855 Millionen noch einmal auf einem Rekordtief. Allerdings fiel der Rückgang der Erwerbslosenzahl im Vergleich zum April so schwach aus wie zuletzt vor zehn Jahren.

BA-Chef Frank-Jürgen Weise räumte am Donnerstag unumwunden ein: Dem Arbeitsmarkt fehlt der Schub der Konjunktur-Lok. Der Rückgang um 108.000 Erwerbslose geht allein auf das Konto des saisonal bedingten Frühjahrsaufschwungs zurück. Zugleich warnte Weise nach der schwachen Arbeitsmarktentwicklung im April und Mai vor allzu groben Interpretationen. Die Lage sei weiterhin gut. «Wir können nicht erwarten, dass die Zahl der Arbeitslosen permanent sinkt und die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze stark steigt.»

Einig sind sich Experten, dass der Arbeitsmarkt nun - zeitverzögert um ein halbes Jahr - die Wachstumsdelle im vierten Quartal 2011 zu spüren bekommt. Erfahrungen früherer Konjunktureinbrüche zeigen, dass es oft mehrere Monate dauert, bis Unternehmen bei ihrer Personalplanung auf Auftragsflauten reagieren. Wohin der Arbeitsmarktzug rollt, da gehen die Expertenmeinungen auseinander. Zu irritierend sind derzeit die Signale aus der Wirtschaft.

Hatte noch der Ifo-Geschäftsklima-Index in der Vorwoche ein Ende der Partylaune in der deutschen Wirtschaft signalisiert, weckten am Donnerstag neueste Meldungen von Export-Rekorden der Industrie wieder  Optimismus. Schon am Tag zuvor hatte eine vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) veröffentlichte Umfrage ein Bild von Unternehmen vermittelt, die überaus zuversichtlich in die Zukunft schauen. Volkswirte deutscher Großbanken sehen daher in der gegenwärtigen Schwächephase des Jobaufschwungs nur ein Zwischenspiel. Schon am Jahresende könnte der Arbeitsmarkt wieder an Schwung gewinnen.

Nicht so recht in dieses Bild passen allerdings die sich häufenden Meldungen von Arbeitsplatzabbau in größerem Stil. Ob es die Schlecker-Insolvenz mit rund zehntausend Entlassenen ist, Nokia Siemens Network mit bundesweit mehr als 2.000 bedrohten Arbeitsplätzen oder First Solar in Frankfurt/Oder, wo 1.200 Stellen auf der Kippe stehen - Insolvenzen oder Reaktionen von Firmen auf die verschärften Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt haben allerorten zu einer Welle von Jobverlusten geführt.

Die Bundesagentur spürt diese Entwicklung derzeit an den unplanmäßig hohen Ausgaben für Insolvenzgeld, mit dem sie einspringt, wenn ein pleite gegangenes Unternehmen kurzfristig seine Mitarbeiter nicht mehr bezahlen kann. Allein in den ersten vier Monaten hatten deutsche Arbeitsagenturen bei Firmen-Insolvenzen mit 285 Millionen Euro in die Bresche springen müssen; im selben Zeitraum 2011 waren es lediglich 244 Millionen gewesen, berichtete am Donnerstag BA-Sprecherin Ilona Mirtschin.

Arbeitsmarktforscher sehen die weitere Entwicklung ohnedies vergleichsweise nüchtern. So rechnet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg zwar für 2012 noch einmal mit einem moderaten Jobaufschwung. Der ganz große Boom sei aber kaum zu erwarten. Vielmehr werde sich die Zahl der Arbeitslosen dauerhaft um die Drei-Millionen-Marke einpendeln. Sorge bereitet den Forschern dabei nicht nur die Rezession in vielen europäischen Ländern. Sie vermissen auch eine Weiterentwicklung der in die Jahre gekommenen Arbeitsmarktreformen. (dpa)
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