Dass sich die Staatengemeinschaft auf ein neues Klimaschutzabkommen einigen kann, davon geht kaum noch einer der Beteiligten ernsthaft aus. Stattdessen sollen sich die Staatenlenker auf eine Art politische Rahmenvereinbarung einigen, die die Unterhändler in den folgenden Monaten mit Details füllen. Aber auch damit würden die 172 Länder im Dezember in Kopenhagen Geschichte schreiben - bis Sommer 2010 soll die Welt einen Klimavertrag haben, der das Kyoto-Protokoll 2013 ablöst. Deshalb beginnt in der Europäischen Union diese Woche der Endspurt in den EU-internen Verhandlungen.
«Wir nennen das "die Super-Woche"», witzelt der amtierende Verhandlungsführer, Schwedens Umweltminister Andreas Carlgren. Auf ihn kommt einiges zu. Denn die 27 EU-Staaten müssen sich nicht nur auf das Verhandlungsmandat für den schwedischen EU-Ratsvorsitz einigen. Im Entwurf klaffen noch gewaltige Lücken. Unter anderem Deutschland dringt zudem darauf, dass das Staatenbündnis noch vor der Einigung in Kopenhagen seine interne Lastenteilung regelt, also die Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten zu den Klimazielen und Finanzierungsverpflichtungen der EU. Der
Grund: Mitgliedstaaten in Osteuropa, die viel schmutzige Kohle verstromen, aber wirtschaftlichen Aufholbedarf geltend machen, sollen rechtzeitig zu ambitionierten Klimazielen verpflichtet werden und sich nicht nach Kopenhagen hinter den breiten Schultern der EU- Kommission verstecken können. Auch bei der EU-internen Lastenteilung sind die Streitpunkte abendfüllend. Damit droht in Kopenhagen nicht nur Gezerre mit China, Indien oder den USA, sondern auch der europäischen Länder untereinander. Die verbleibenden knapp zwei Monate wollen die 27 deshalb nutzen, zumindest die schwersten Brocken auszuräumen.
Am Dienstag tagen in Luxemburg zunächst die europäischen Finanzminister - der
Klimaschutz allein in den Entwicklungsländern wird Schätzungen zufolge bis 2020 gut 100 Milliarden Euro im Jahr kosten, die die Industrienationen schultern sollen. Tags darauf treffen sich die Umweltminister - und hier befürchten Beobachter eine lange Nachtsitzung. Die Minister haben harte Nüsse zu knacken. So hat die EU versprochen, ihren Kohlendioxid (CO2)-Ausstoß nicht nur um ein Fünftel bis 2020 zu senken, sondern bei einem entsprechenden Weltklimaabkommen sogar um 30 Prozent. Während einige Länder fordern, der EU-interne Verteilungsschlüssel solle wie bei den 20 Prozent gleichbleiben, fordern andere einen neuen Mechanismus. Dann geht es um die Schwerindustrie, die in Osteuropa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zusammenbrach. Länder wie Polen fordern, ihre Klimagutschriften wegen des automatisch geringeren CO2-Ausstoßes für späteren Handel aufheben zu dürfen. Berlin ist dagegen.
Und während Schifffahrtsnationen wie Dänemark oder Griechenland den Schiffsverkehr weniger stark in die Pflicht nehmen wollen, wollen Schweden oder Finnland ihre Wälder als CO2-Speicher anerkannt wissen. Können sich die Umweltminister nicht einigen, werden die offenen Fragen den Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel Ende Oktober aufgetischt. Einen Punkt wollen unter anderem die Deutschen bis Kopenhagen ganz ausklammern: Ein konkretes Finanzierungsangebot der EU für Klimaschutz in der Dritten Welt soll es noch nicht geben. Das wäre «taktisch unklug», heißt es in Diplomatenkreisen. Erst sollen die Entwicklungsländer darlegen, was sie zu tun bereit sind. Könnte Europas Nabelschau Kopenhagen aufs Spiel setzen? Diplomaten winken ab: Auch in Kyoto habe es schließlich EU-internen Streit gegeben und doch wurde im Dezember das Protokoll unterschrieben. (dpa)