In den festgefahrenen Weltklimaverhandlungen verkünden die Teilnehmer nur eins unisono: Die Uhr tickt. In knapp drei Monaten sollen 192 Staaten in Kopenhagen ein historisches UN-Klimaschutzabkommen unterzeichnen. Doch der Verhandlungsmarathon verkommt zum Grabenkampf.
Daran änderte auch der Sonder-Klimagipfel bei den Vereinten Nationen in New York am vergangenen Dienstag nichts. Auch vom G20-Gipfel erwarteten die Staats- und Regierungschefs wohl wenig Impulse. Der amtierende EU-Ratspräsident und schwedische Umweltminister Andreas Carlgren trug Bescheidenheit zur Schau. Schon die reine Anwesenheit der beiden Protagonisten - Chinas Präsident Hu Jintao und US-Präsident Barack
Obama - sei doch ein «wichtiges Signal». Die Industrien der USA und Chinas sind beim Ausstoß gefährlicher
Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) Weltspitze.
Eine Front verläuft zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden. Die Entwicklungsländer verlangen von den Industrienationen, Geld auf den Tisch zu legen, bevor sie sich auf kohlenstoffarmes Wirtschaftswachstum verpflichten. Die Industriestaaten wiederum wollen erst Finanzzusagen machen, wenn aufstrebende Volkswirtschaften wie China und Indien verbindliche
Klimaziele vorgeschlagen haben. Hu Jintao machte immerhin beim UN-Klimagipfel einen Anfang und verkündete ein erstes vages Ziel.
Nicht zur Freude aller Europäer, hatte sich die
EU-Kommission neulich aus der Deckung gewagt und erstmals konkrete Zahlen ins Gespräch gebracht: Bis zu 100 Milliarden Euro im Jahr könnten aus dem Norden in den Süden fließen, und die Europäische Union bis zu 15 Milliarden Euro aus Steuergeldern bezahlen. «Die EU hat weiter eine Führungsrolle in den Klimaverhandlungen inne», erklärt der schwedische Umweltminister.
Das mag so sein, doch verhallen die schweren Schritte des Musterschülers ungehört. Dass Sarkozy in Frankreich eine Klimasteuer einführt, der neue japanische Ministerpräsident Yukio Hatoyama ganz auf EU-Linie eine CO2-Reduktion bis 2020 um ein Viertel angekündigt hat, Deutschland und Frankreich mit Klimazöllen drohen: Zuckerbrot und Peitsche reichen offensichtlich nicht. Es sind die USA und China, die sich im Wortsinne grün werden müssen. Zwei Fünftel des weltweiten CO2-Ausstoßes blasen sie zusammen in die Luft. Nur wenn sie sich einigen, wer bis wann wieviel
CO2 einspart und wer was bezahlt, kann der Rest der Welt folgen.
Stattdessen aber belastet ein handfester Handelsstreit um neue amerikanische Schutzzölle auf chinesische Autoreifen das Verhältnis. Dass Obama diese noch kurz vor dem G20-Gipfel als Signal an heimische Klientel eingeführt hat, zeigt, unter welch enormem innenpolitischen Druck der «mächtigste Mann der Welt» derzeit steht. Seine umfassende Gesundheitsreform durch den Kongress zu bekommen, hat für ihn oberste Priorität. Dabei ist zugleich sein noch im Frühsommer als historisch gelobtes Klimaschutzgesetz mit konkreten CO2-Reduktionszielen («Waxman-Markey-Bill») auf unbestimmte Zeit im Senat blockiert.
Dass Obama einer der wohl derzeit wortgewaltigsten Redner auf internationaler Bühne ist, bewies er diese Woche auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Er muss jetzt konkreter werden und signalisieren, ob er sich einem Weltklimavertrag anschließen wird, auch wenn sein Klimagesetz noch im Senat hängt. Und klären muss er auch die mittelfristigen Ziele für weniger CO2-Ausstoß der USA und wie viel Geld Washington bereit ist zu zahlen. Dass dies in Pittsburgh bei all dem Gefeilsche um eine Weltfinanzreform geschieht, ist eher unwahrscheinlich.
Und so hatte die Konferenz der «Chefs» noch nicht einmal begonnen, da forderten Gäste wie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy schon einen eigenen «Weltklimagipfel» noch vor Dezember. Denn scheitert Kopenhagen, wird der Druck auf Obama in der Folge nur noch größer: Nächsten Herbst stehen in den USA Kongresswahlen an. (dpa)