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01.03.2011 | 13:07 | Gegenwind für Handelskonzerne 
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Immer weniger Anbieter von Lebensmitteln - Kartellamt prüft

Bonn/Düsseldorf - Lebensmittel werden teurer.  

Lebensmittel
Dagegen können die Wettbewerbshüter im Grunde nichts tun. Aber die Handelskonzerne müssen mit mehr Gegenwind rechnen. Für Übernahmen dürfte es seltener grünes Licht geben. Die Zeit der großen Preissenkungen ist vorbei, viele Lebensmittel werden teurer. Der Aufwärtstrend an den Rohstoffmärkten hat bei einzelnen Artikeln wie Kaffee zu regelrechten Preissprüngen geführt. Ähnlich wie beim Benzin schauen alle schnell auf die Wettbewerbshüter. Das Bundeskartellamt nimmt derzeit die Einkaufsmacht der Handelskonzerne unter die Lupe.

Das Milliardengeschäft mit den Lebensmitteln liegt von Jahr zu Jahr in immer weniger Händen. «Vor gut zehn Jahren teilten sich noch sieben Handelsunternehmen 70 Prozent des Marktes», sagte der Präsident des Kartellamtes, Andreas Mundt, dem «Handelsblatt». Heute habe man es mit den vier großen Handelskonzernen Edeka, Rewe, der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi zu tun, die 85 Prozent der Nachfrage im Lebensmitteleinzelhandel auf sich vereinten. «Und es werden weitere Fusionen angemeldet.» Er wolle Verhältnissen wie in anderen europäischen Ländern vorbeugen, wo die Konzentration noch größer sei und Preise deswegen auch höher lägen. Weitere Zukäufe durch die großen Ketten dürften also schwierig werden.

Im deutschen Lebensmittelhandel hat ein großer Schilderwechsel stattgefunden. Rewe ist ein Beispiel dafür. Der Kölner Konzern hat nicht nur seine eigenen Supermarktketten wie Minimal und Otto Mess auf Rewe umgeflaggt. Die Kölner haben auch zugekauft. Im Zuge der Discounter-Fusion von Plus und der Edeka-Tochter Netto ergatterte Rewe den Zuschlag für rund 330 Plus-Filialen. Von der Metro übernahm man rund 300 Extra-Märkte. Erst im vergangenen Jahr genehmigten die Kartellwächter den Kauf von 65 Tengelmann-Filialen im Rhein-Main-Gebiet. Außerdem übernahmen die Kölner 40 Sky-Märkte der coop Kiel.

Aus Sicht namhafter Lebensmittelhersteller ist das Maß voll. «Im Handel herrschen teilweise Strukturen, denen abhängige Lieferanten nichts entgegensetzen können», sagt der Sprecher des Markenverbandes, Johannes Ippach. Der Verband vertritt unter anderem große Hersteller wie Dr. Oetker. Auch der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) hatte unlängst die Marktmacht im deutschen Lebensmittelhandel beklagt. Die vorwiegend mittelständischen Süßwaren-Hersteller könnten sich mit ihren Vorstellungen - etwa höhere Preise wegen gestiegener Rohstoffkosten - bei den Handelsriesen kaum durchsetzen, hieß es.

Damit liegt der Ball wieder beim Kartellamt. Vor der Genehmigung einer Fusion oder Übernahme betrachtet das Kartellamt nach Angaben eines Sprechers vor allem den jeweiligen Absatzmarkt. «Wir erlauben längst nicht alles, was beantragt wird. Oft genehmigen wir Übernahmen nur unter strengen Auflagen», betont er. Besonders umstritten war die mit Auflagen versehene Übernahme des Discounters Plus durch Edeka - sowohl der Plus-Verkäufer Tengelmann als auch Lebensmittelhersteller haderten mit der Kartellamtsentscheidung. Diese fiel noch in die Amtszeit von Mundts Vorgänger Bernhard Heitzer.

Mundt sieht mit Blick aufs europäische Ausland durchaus die Gefahr, dass Lebensmittel durch einen zu geringen Wettbewerb teurer werden könnten. «Irgendwann ist es mit den schönen niedrigen Preisen vorbei.» Der oberste deutsche Wettbewerbshüter verweist auf eine GfK-Studie von 2010, nach der sich der Preiskampf auf relativ wenige, aber umsatzstarke Lebensmittel konzentriert. Demnach gibt es nur bei gut 40 von 275 Warengruppen einen harten Wettbewerb, etwa bei Kaffee, Schokolade, Butter, Joghurt oder Fruchtsäften.

Bei anderen Produkten dagegen hegt das Kartellamt nach Worten von Mundt «gewisse Zweifel». «Wir haben auch Indikatoren dafür, dass der Wettbewerb nicht generell so lebhaft ist wie wir das bislang alle glaubten.» Aldi habe nur 800 Artikel im Sortiment, in einem großen Edeka-Markt seien es bis zu 50.000, erläuterte er im «Handelsblatt»-Interview. Rewe hofft dagegen, dass in der Untersuchung des Bundeskartellamtes «viele Missverständnisse und Vorurteile über die angebliche Marktmacht des Handels ausgeräumt werden können».

Die jetzt angekündigte Kartellamtsuntersuchung zur «Beschaffung von Nahrungs- und Genussmitteln» durch den Handel ist nicht das einzige heiße Eisen im Lebensmittelbereich. In anderen Verfahren prüfen die Kartellhüter auch, ob es bei einzelnen Lebensmitteln Preisabsprachen zwischen Herstellern untereinander oder zwischen Herstellern und Handel gegeben hat. Preise müssten ein Ergebnis des Wettbewerbs sein, und nicht von Absprachen zur Absicherung von Margen, betonte Mundt. (dpa)
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Kommentare 
ottonormal schrieb am 25.03.2011 10:39 Uhrzustimmen(36) widersprechen(32)
Bei Edeka ist der Zweigelt Wein von 1,99 Euro vom Mai 2010 auf 2,99 Euro im März 2011 angehoben worden. Preiserhöhung über 50 %! Darf das sein??
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