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28.01.2018 | 07:32 | Süßwarenindustrie 
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Rolle der Werbung bei Süßwaren

Köln - Für die Süßwarenbranche ist es kein Zuckerschlecken. Der Inlandsmarkt gilt als gesättigt, das Exportgeschäft war 2017 erstmals leicht rückläufig. Der Verbraucher wird gesundheits- und wertebewusster.

Süßwarenbranche
Der deutsche Markt für Süßigkeiten ist gesättigt, Verbraucher werden anspruchsvoller. Für die Branche spielen Werbung und Marketing dabei eine große Rolle. Mit Blick auf Kinder bereitet das einigen Bauchweh. (c) proplanta
Die Industrie habe auf ein «Riesen-Wunschkonzert» zu reagieren, erklärt Bastian Fassin vom Bundesverband der Süßwarenindustrie (BDSI) zum Start der weltgrößten Süßwarenmesse ISM 2018 an diesem Sonntag in Köln.

«Das Angebot wird immer differenzierter und breiter.» Und das Marketing spielt eine wichtige Rolle. Gesundheitsexperten haben jedoch Bedenken: «Lockrufe» an Kinder hätten deutlich zugenommen.

«Die Süßwarenindustrie gehört zu den Top Ten der Werbetreibenden in Deutschland», sagt Franz-Rudolf Esch, Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung an der EBS Business School.

Ohne «Produktdehnungen», neue Geschmacksvarianten und Innovationen könnten die Hersteller nicht überleben. Grundsätzlich gelte: «Die Flop-Quote bei Neuprodukten im Konsumgüterbereich liegt bei über 70 Prozent. Die Hälfte der Produkte ist nach einem Jahr schon nicht mehr im Regal.»

Bei Süßwaren sind manche Verbraucher nach Einschätzung von Esch noch dazu «hybrid» veranlagt - also gesundheitsorientiert und zugleich offen fürs Naschen. «Es steht außer Frage, dass sich Verbraucher darüber bewusst sind, dass Süßigkeiten Zucker, Fett und Farbstoffe enthalten können. Beim Kauf wird die Ratio allerdings häufig durch die Gefühle übertrumpft.» Für Maß, Menge und eigene Ernährung sieht er den Konsumenten selbst in der Verantwortung.

Aber auch viele Unternehmen senken inzwischen den Zuckeranteil, setzen auf nachhaltigen Anbau und fairen Handel oder produzieren Allergiker-geeignet, wie der Markenforscher beobachtet. So gehören bei der diesjährigen ISM 2018 laktosefreier Schokolade, veganen Fruchtriegeln, fettreduziert-getrockneten Ananas-Curry-Chips oder gebrannten Mandeln ohne Zucker die Bühne. Ebenso sollen Fruchtgummi frei von Gelatine oder Tierform-Knabbergebäck mit besonders wenig Salz locken - Kleine wie Große.

Viele Produkte und Marken sprechen ganz gezielt Kinder als wichtige Zielgruppe an. Das überrasche nicht, findet Esch. «Zum einen können sie von ihrem Taschengeld selbst Produkte kaufen, zum anderen sind sie zentrale Beeinflusser von Kaufentscheidungen, und zum Dritten sind es die Kunden von morgen.»

Der Wissenschaftler Tobias Effertz sieht hier gesundheitliche Risiken. Sehr viele Süßwaren richteten sich an Kindern aus, «auch das Marketing spricht vornehmlich Kinder an», sagt der Experte vom Institut für Recht der Wirtschaft der Hamburger Uni. ISM-Neuheiten wie Gummibärchen zum Selbermachen, Lollis mit Tattoos oder Dracula-Fruchtgummi zielen auf die Kleinen.

Kinder würden häufiger und drastischer von Werbung angesprochen, zunehmend im Internet und über die sozialen Medien, kritisiert Effertz, der dazu im Auftrag des AOK-Bundesverbands eine Studie erarbeitet hat. Beispiele: «Auf der Produktseite spricht eine Zeichentrickfigur die Kinder direkt an, alles ist bunt, es gibt Musik, ein Gewinnspiel. Oder: Eine Comicfigur beißt in den Schokoriegel, es blitzt in ihren Augen, und sie verwandelt sich in Supermann.» Mit dem «Liken» und Teilen solcher Beiträge durch die Kinder profitierten Unternehmen noch zusätzlich.

BDSI-Mann Fassin betont, das bestehende Angebot wie auch die Neuheiten richteten sich an alle Verbrauchergruppen, nicht vorrangig an die Kleineren. Dass Süßwaren ein hohes Gewicht bei Jung und Alt haben, spiegelt die Statistik wider: Pro Kopf nahmen Verbraucher laut Verbandsangaben 2017 geschätzte 31 Kilogramm an Süßwaren, Knabberartikeln und Markeneis zu sich. Unter allen verzehrten Lebensmitteln - 670 Kilo pro Person insgesamt - machten Schokolade, Fruchtgummi, Chips und Co. damit rund 5 Prozent aus.

Fassin zufolge beteiligen sich die meisten Süßwarenhersteller an einer freiwilligen Selbstverpflichtung, keine Werbung für Kinder unter zwölf Jahren zu machen. Effertz hält dagegen: «Die Hersteller spielen die ganze Klaviatur der Werbemittel durch. Primärziel von Anbietern auch ungesunder Lebensmittel ist Umsatzmaximierung.» Kinder seien dabei stark im Fokus - aber noch nicht in der Lage, das alles richtig einzuordnen. «Es wäre fairer, die Werbung an die Eltern zu richten. Kinder-Marketing muss verboten werden.»
dpa
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Kommentare 
cource schrieb am 28.01.2018 09:28 Uhrzustimmen(15) widersprechen(13)
"..Beim Kauf wird die Ratio allerdings häufig durch die Gefühle übertrumpft.» .." haha..wohl eher durch das suchtgedächtnis, süßes gelumpe/stärke oder fettes fleisch/milchprodukte erzielen im gehirn die gleiche benebelnde wirkung wie drogen und man kann sich dieser sucht nur durch eine 100% abstinenz schützen, alle so genannten flexitarier haben ihren kampf gegen das suchtgedächtnis aufgegeben und glauben wenn sie die lebensmitteldrogen: zucker/stärke/fettes fleisch/fette milchprodukte nur in geringen mengen und häufig genug wechseln dann nehmen sie keinen schaden solche flexitarier erkennt man oftmals daran, dass sie in der mitte unter erhöhtem fettansatz leiden und deshalb keinen sinn/nutzen/motivation zur 100%igen veganen rohkost sehen/aufbringen wollen
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