Die
Agrarmesse beginnt an diesem Freitag, und die deutsche
Ernährungsindustrie hat das große Branchentreffen dieses Mal zur «Future Food Show» erklärt. In Berlin bestaunen die Messebesucher nämlich nicht nur
Zuchtbullen und rosige Ferkel, kreisen nicht nur die Humpen und Häppchenteller. Es geht wie immer auch um die großen Frage: Welche Art von
Landwirtschaft soll 7,6 Milliarden Erdenbürger satt machen? Und in 30 Jahren 10 Milliarden Menschen?
«Wir haben es selbst in der Hand, mit unserem täglichen Einkauf», macht Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) deutlich, warum das auch ein Thema für die wohlstandsverwöhnten deutschen Supermarktkunden ist. «Eine Welt ohne Hunger ist möglich - mit fairem Einkauf und fairer Produktion.»
Tausende wollen in Berlin für den Wandel trommeln: gegen das «immer mehr», «immer größer», «immer intensiver» in der Landwirtschaft, gegen Megaställe, Konzernmacht und für eine bäuerliche und ökologischere Landwirtschaft. «Wir haben
Agrarindustrie satt», werden auf den Berliner Straßen auch Bauern rufen, konventionell wie ökologisch wirtschaftende.
Zum Symbol der Kritiker ist das Unkrautgift
Glyphosat geworden, das mit dem Segen von
Agrarminister Christian Schmidt (CSU) in der EU zugelassen bleibt - nationale Beschränkungen sind noch gut möglich.
Tier-, Umwelt- und
Ressourcenschutz haben sich auch
Bauernverband und Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben. Sie betonen aber, ohne intensive Landwirtschaft werde die Welt nicht zu ernähren sein.
Schon heute ernährt ein Bauer in Deutschland fünf Mal so viele Menschen wie vor 50 Jahren. Weil die Märkte in Europa gesättigt sind, lockt der Export auch als neuer Umsatzbringer. Dass Essen politisch ist - auf der Grünen Woche ist das kaum zu übersehen.
Geschäftlich haben sich die deutschen Bauern berappelt. Nach zwei Krisenjahren mit teils bedrohlichen Gewinn-Einbußen verdienten die
Betriebe zuletzt wieder deutlich mehr. Übermütig werden die ohnehin vorsichtigen Landwirte trotzdem nicht.
«Wir erwarten eher ein Jahr der Stabilisierung und Konsolidierung», formuliert es
Bauernpräsident Joachim Rukwied. Viele Ackerbauern seien skeptisch, auch die
Aussaat im Herbst war wegen zu viel Regens mancherorts nur schwer möglich.
Dabei zeigt sich weiter, wie sehr inzwischen die Weltmarktpreise bestimmen, was Bauern für ihre Produkte erzielen können - schwer kalkulierbare Schwankungen inklusive. Für die Verbraucher wurde es im Supermarkt zuletzt nicht gerade günstiger.
Im vergangenen Jahr lag die
Preissteigerung für Lebensmittel laut amtlicher Statistik klar über der allgemeinen Inflationsrate von voraussichtlich 1,8 Prozent. Der Bauernverband verweist jedoch weiter auf «nach wie vor mit die günstigsten
Lebensmittelpreise in Deutschland im globalen Vergleich».
Sorgen machen vielen Landwirten zusätzliche Unsicherheitsfaktoren. Da ist die von Osteuropa recht nahe gekommene Afrikanische
Schweinepest, die bei einem Ausbruch in Deutschland massive Einbußen brächte.
Wegen der langen Hängepartie für eine neue Bundesregierung sind wichtige Rahmenbedingungen noch nicht fix - vom schnellem Internet, das längst für Computertechnik auf dem Acker gebraucht wird, bis zu neuen Regeln für mehr Tierschutz im Stall und eine Fleisch-Kennzeichnung.
Ob die dann auch für Weißwurstpralinen gilt? Sie zählen zu den vielen Leckerbissen, die mehr als 1.600 Aussteller auf der Grünen Woche präsentieren. Nach zwei Jahren Pause ist auch Russland wieder offiziell präsent - das Land war der Messe ferngeblieben, nachdem die EU und Russland im Zuge der Ukraine-Krise gegenseitige Handelsschranken aufgebaut hatten.
Besonders im Blickpunkt steht auch Euro-Aspirant Bulgarien, das diesjährige Partnerland der Grünen Woche. Die Aussteller locken mit Schafskäse, Gemüsepasten, würzigen Würsten und Pflaumenschnaps. Insekten bringen die Bulgaren nicht mit nach Berlin.