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02.10.2015 | 11:30 | Discounter machen die Milch teurer 

Milchpreiserhöhung: Echte Hilfe oder billiger Trick?

Berlin/Fulda - Lidl machte den Anfang, jetzt folgen Aldi und Netto: Gleich mehrere Discounter machen die Milch um einige Cent teurer, um in der Preiskrise den Bauern zu helfen. Aber haben die wirklich etwas davon? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Milchpreiserhöhung
In ihrer Not gehen die Bauern auf die Straße. Mit ihrer Milch verdienen sie nicht mehr genug. Jetzt heben Aldi & Co. die Preise an. Das hilft aber nur, wenn das Geld auch bei den Landwirten ankommt. (c) proplanta
Seit Wochen starten die Bauern Protestaktionen. Warum?

Sie wollen auf ihre Not durch die gefallenen Milchpreise aufmerksam machen. Seit Ende 2013 ist der Preis pro Kilo Rohmilch von 41 auf etwa 28 Cent eingebrochen. Von den 80.000 deutschen Milchbauern fürchten deshalb viele um ihre Existenz. Die Krise hat mehr als eine Ursache: So ist mit Russlands Einfuhrverbot für europäische Lebensmittel ein wichtiger Absatzmarkt weggebrochen. In China schwächelt die Nachfrage. Die Milchbauern machen außerdem den Wegfall der EU-weiten Milchquote zum 1. April für ihre Misere verantwortlich. Die Landwirte haben aber auch immer wieder den Handelsketten vorgeworfen, angesichts des Überangebots die Preise zu drücken.

Was bringt in dieser Situation die Ankündigung der Discounter?

Der Deutsche Bauernverband (DBV), der mit Agrarminister Christian Schmidt (CSU) das Gespräch mit den Handelsketten gesucht hatte, nennt die Preiserhöhung «ein wichtiges Signal». «Wir gehen davon aus, dass das eine Trendumkehr einleitet und nun weitere Unternehmen nachziehen», sagt Generalsekretär Bernhard Krüsken. So wolle sich etwa Rewe in den kommenden Tagen anschließen. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) spricht von einem «Zeichen des guten Willens». BDM-Sprecher Hans Foldenauer schränkt aber ein: «Wenn man sich die Preise für die Milchprodukte in der Summe anschaut, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.» Selbst wenn alle mitziehen würden - bei den Milchbauern komme maximal ein Cent pro Kilo an.

Was passiert mit dem Geld, das der Verbraucher zusätzlich zahlt?

Wenn der Liter Vollmilch im Supermarkt beispielsweise 55 Cent kostet, bekommt der Landwirt davon nur 23,1 Cent, wie das Kieler Institut für Ernährungswissenschaft ermittelt hat. 6,3 Cent bleiben in dieser Rechnung beim Handel, der aber auch Kosten für die Lagerung oder Kühlung der Produkte zu decken hat. Die Verarbeitung in der Molkerei und die Verpackung haben ebenfalls ihren Preis. Die Milchbauern sind die Allerletzten in der Kette - auch die Erhöhung kommt also nur anteilig bei ihnen an. Der DBV weist außerdem darauf hin, dass längst nicht alle erzeugte Milch im deutschen Einzelhandel landet. Käse, Milchpulver und Butterfett würden vor allem international gehandelt. Und auch diese Märkte hätten starken Einfluss auf den Preis.

Welche Rolle spielen die Molkereien?

Eine ganz entscheidende. Denn sie verhandeln die Preise mit dem Handel. Die Milchviehhalter werfen den Molkereien seit längerem vor, dabei zu niedrige Angebote gemacht und damit die Krise mitverschuldet zu haben. Nun sind sie in Sorge, dass auch das Preisplus bei den Molkereien hängenbleiben könnte, schildert Foldenauer und kündigt an: «Wir werden da sehr genau hinschauen.» Deutschlands größtes Molkereiunternehmen, das genossenschaftlich organisierte Deutsche Milchkontor (DMK) in Bremen, verweist auf Preisverhandlungen mit dem Handel in den kommenden Wochen. «Aufgabe und Verantwortung eines genossenschaftlichen Unternehmens ist es, am Markt die höchstmögliche Verwertung zu erzielen und diese den Landwirten in Form von Milchgeld auszuzahlen», sagt Sprecher Hermann Cordes.

Was bedeutet das alles für die Milchbauern?

«Der Druck auf den Markt ist nach wie vor da», warnt Foldenauer. Zur Agrarministerkonferenz, die derzeit in Fulda stattfindet, machen die Milchbauern deshalb weiter mit Protesten auf ihre schwierige Lage aufmerksam. Aber wie eine Lösung aussehen könnte, ist auch in der Branche umstritten: Während die Milchviehhalter wollen, dass die Politik die Milchmenge im Markt in Krisenzeiten deckelt, lehnen Minister Schmidt und der Bauernverband solche Eingriffe ab und setzen auf eine Exportoffensive. Akut hilft die EU: Sie greift Bauern in Not mit insgesamt 500 Millionen Euro unter die Arme, knapp 70 Millionen davon gehen nach Deutschland. Am Donnerstag forderte der Bauernverband in einer Resolution eine zügige und einfache Umsetzung. (dpa)
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