Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
03.05.2013 | 12:30 | Milchwirtschaft 

Milchbörsensystem: Fragen und Antworten

Freising - Der drastische Preisabsturz beim letzten Übertragungstermin am 1. April hat sowohl bei Anbietern als auch bei Nachfragern einige alte und neue Fragen zum Milchbörsensystem ausgelöst, die bis dahin kaum von Bedeutung oder Interesse waren.

Milchbörse
(c) proplanta
Diese Fragen werden hier fachkundig beantwortet von LfL-Experte Landwirtschaftsdirektor Josef Dick.

1. Warum betrug der Gleichgewichtspreis beim letzten Börsenverein nicht 2, sondern 1 ct/kg?

Nach der ursprünglichen Definition des Gleichgewichtspreises (GGP) wäre dieser tatsächlich bei 2 ct/kg gelegen. Bei dieser Preisstufe herrschte nämlich der kleinste Mengenunterschied zwischen Angebot und Nachfrage. Die Differenz betrug dort lediglich 19.000 t. Die größere Menge war dort aber die Angebotsmenge. Läge also der GGP bei 2 ct/kg, hätte jedem erfolgreichen Anbieter eine Teilmenge repartiert (zurückgegeben) werden müssen. Dieser Umstand wurde mit der Verordnungsänderung im Jahr 2002 dahingehend geändert, dass der tatsächliche GGP dann eben bei der nächstniedrigeren Preisstufe liegt, bei der die Nachfragemenge erstmals die Angebotsmenge übersteigt.

2. Warum bekomme ich als erfolgreicher Nachfrager nicht die volle nachgefragte Menge?

Irgendwie erscheint das schon seltsam: Da betrug die Gesamtangebotsmenge ca. 265.000 t und die Nachfrage nur 148.000 t – und trotzdem erhält jeder erfolgreiche Nachfrager zunächst nur 74,3% seiner nachgefragten Menge. Aber: Über die tatsächlich zugeteilte Menge entscheidet nicht die Gesamtnachfrage und das Gesamtangebot, sondern die Mengenverhältnisse zum GGP. Weil dieser GGP als die erste Preisstufe definiert ist, bei der die Nachfrage das Angebot übersteigt, kann einem erfolgreichen Nachfrager nicht die voll nachgefragte Menge zugeteilt werden. Diese Fehlmenge kann sehr gering, aber auch sehr hoch ausfallen. Bisheriger Extremwert war ca. 50%. Bei geringen Fehlmengen konnten diese meist durch die kostenlose Landesreserve ausgeglichen werden.

3. Kann auch einem erfolgreichen Anbieter eine (Teil-) Menge zurückgereicht werden?

Auch das ist in einem besonderen Fall möglich! Liegt nämlich der kleinste Mengenunterschied von Angebot und Nachfrage bei 1 ct/kg, dann beträgt der GGP eben 1 Cent, auch wenn dabei die Angebotsmenge größer ist als die Nachfrage. In diesem Fall passiert dann das, was ansonsten vermieden werden soll, nämlich dass einem erfolgreichen Anbieter eine Teilmenge zurückgegeben (repartiert ) werden muss. Diese zurückgereichte Menge muss der Anbieter dann beim nächsten Übertragungstermin erneut anbieten, sofern er sie nicht doch wieder selbst nutzen will.

4. Kann ich auch ein Abgabeangebot unter1 ct/kg abgeben?

Das Milchbörsensystem sieht nur Preisstufen von ganzen Cents vor, beginnend bei einem Cent. Ein noch niedrigeres Angebot wäre (aus Anbietersicht) auch nicht sinnvoll, denn dann könnte der Quotenpreis auch noch weiter absinken als auf 1 Ct/kg. Andererseits sind Anbieter mit einer Preisforderung von 1 ct/kg immer erfolgreich (einzige Ausnahme: siehe Ziffer 6).

5. Kann der Quotenpreis auch unter 1 ct/kg fallen?

Nein! Weil sowohl für Abgabeangebote, als auch für Nachfragegebote 1 ct die niedrigstmögliche Preisstufe darstellt, kann der Preis nicht unter 1 Cent fallen.

6. Kommt immer ein Handel zustande?

Dass an der Quotenbörse überhaupt kein Handel zustande kommt, ist nur für den Fall denkbar, dass es im ganzen Übertragungsgebiet überhaupt kein Angebot oder überhaupt keine Nachfrage gibt. Solange es aber die Superabgabe noch für Europas Milchbauern gibt, ist dies kaum vorstellbar.

7. Muss ich als erfolgloser Anbieter beim nächsten Termin erneut ein Abgabeangebot einreichen?

In seinem Abgabeangebot gibt der Antragsteller an, für welchen Übertragungstermin dieses gelten soll. Ist er bei diesem Termin nicht erfolgreich, muss er – sofern er immer noch zu einem Verkauf bereit ist, selbstverständlich für einen späteren Termin einen neuen Antrag stellen. Über seine Verkaufsmenge und den verlangten Mindestpreis kann er natürlich ganz neu entscheiden.

8. Gibt es den Preiskorridor eigentlich noch? Ja, aber nur noch theoretisch!

Der Preiskorridor würde gemäß Verordnung dann greifen, wenn die größte Mengenübereinstimmung von Angebot und Nachfrage bei der Preisstufe 30 Cent oder höher läge. Da diese Verhältnisse wohl für immer der Vergangenheit angehören, müssen Nachfrager nicht mehr befürchten, wegen dieses Korridors bzw. wegen eines zu hohen Preisgebotes vom Übertragungsverfahren ausgeschlossen zu werden.

9. Kann ich als Anbieter oder Nachfrager auch zwei Gebote einreichen?

Nein. Nachfrager würden gelegentlich gerne ein Nachfragegebot für eine sehr dringend benötigte Menge mit einem etwas höheren Preis abgeben und zusätzlich einen weiteren Antrag mit einem geringeren Preisgebot stellen. Die Milchquotenverordnung lässt aber ausdrücklich für jeden Antragsteller nur ein Abgabeangebot oder ein Nachfragegebot zu.

10. Ist bei so niedrigen Quotenpreisen eigentlich noch eine Bankbürgschaft nötig?

Die Milchquotenübertragungsstellen dürfen die Auszahlung an die Anbieter nur vornehmen, wenn alle Einzahlungen der Nachfrager eingegangen sind. Deshalb ist ein zeitnaher und vollständiger Zahlungseingang unbedingt erforderlich. Zur Absicherung benötigen die Übertragungsstellen daher auch weiterhin eine Bankbürgschaft oder eine vergleichbare Sicherheit. Bayern hat als einzige Übertragungsstelle Deutschlands auch die Vorabüberweisung zugelassen, verlangt für den zusätzlichen Verwaltungsaufwand aber eine Zusatzgebühr von 35 €. Nachfrager in Bayern können also entscheiden, welche Variante für sie die günstigere ist. (LFL)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Biomilchpreis ist zu niedrig

  Kommentierte Artikel

 Wut und Wahlen 2024: Die zunehmend mächtige Gruppe der Nichtwähler

 NRW-OVG verhandelt Streit um ein paar Gramm Wurst zu wenig

 Ruf nach Unterstützung der Imker

 Kein kräftiger Aufschwung in Sicht - Wirtschaftsweise für Pkw-Maut

 Schutz vor Vogelfraß durch Vergrämung?

 Globale Rekord-Weizenernte erwartet

 Immer mehr Tierarten sorgen in Thüringen für Ärger

 Größere EU-Getreideernte erwartet

 Bedarf an hofeigenen KI-Wetterfröschen wächst rasant

 Was will die CDU in ihrem neuen Programm?