Die Unternehmenszentrale in Mülheim an der Ruhr, auf die nur ein vergleichsweise kleines Schild wie an jeder beliebigen Filiale hinweist, war Treffpunkt besorgter Landwirte aus Nordrhein- Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Mit Kuhglocken und Trommeln brachten sie die Forderung nach höheren Milchpreisen vor.
Aldi wurde vorgeworfen, Auslöser des Milchpreis-Abrutsches im Frühjahr gewesen zu sein. «Ihr habt den ersten Dominostein, der alle anderen mit umgerissen hat, angestoßen», rief der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes, Friedhelm Decker. Aldi müsse Verantwortung zeigen auch für die Belange der Milchbauern.
Es ist der neunte Tag der bundesweiten
Bauernproteste, rechnet Landwirt Hubert Naß vom Niederrhein nach. Bereits seit 1734 führt seine Familie den Bauernhof. Um investieren zu können und dem Betrieb damit langfristig eine Perspektive zu geben, seien höhere
Milchpreise und ein faires Preissystem erforderlich. Auch Landwirt Josef Vos ist vom Niederrhein zur Aldi-Süd-Zentrale gefahren, um zu demonstrieren.
An dem «weißen Gold» Milch verdienten sich viele ein goldene Nase, nur die Landwirte würden mit Almosen abgespeist, schimpft er. Beide Landwirte wünschen sich, dass die zum Teil in verschiedenen Verbänden organisierten Milchbauern an einem Strang ziehen. Dann könnten die Milchbauern, meint Naß, eine ebenso große Marktmacht haben wie Aldi.
Nachdem der Konflikt mit Blockaden von Molkereien eskaliert war und Milch in einigen Regalen knapp zu werden drohte, signalisieren mehrere Handelsriesen Gesprächsbereitschaft. Der Discounter
Lidl kündigte nach einem Gespräch mit dem
Bauernverband an, den Verkaufspreis je Liter um 10 Cent und für Butter je 250-Gramm- Päckchen um 20 Cent zu erhöhen. «Wenn sich dieser Preis im Markt behaupten sollte, wird sich die REWE-Group marktkonform verhalten», sagte REWE-Sprecher Wolfram Schmuck am Mittwochabend in Köln der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Aldi Süd erklärte, sich der «Verantwortung einer sorgfältigen Preisgestaltung» bewusst zu sein. «Basis der Abwägung aller Faktoren sind auch intensive Gespräche mit den Vertragspartnern von Aldi Süd, den Molkereien, für die Aldi Süd auch in Zukunft zur Verfügung steht», hieß es in einer knappen Mitteilung. Konkrete Zusagen gab es nicht. Die Forderung «Neuabschlüsse sofort! Milchbauern brauchen kostendeckende faire Milchpreise!» nahm ein Mitglied der Geschäftsführung von Aldi Süd lediglich entgegen.
Die zweitgrößte deutsche Molkereigruppe, Humana Milchunion, will sich nach eigenen Angaben für bessere Preise beim Lebensmittelhandel einsetzen. Handelsexperten meinen aber, solange man nicht Aldi zu Zugeständnissen bewegen kann, werde es nur schwer einen Durchbruch geben. «Milchpreise bei Aldi sind maßgeblich», sagte Handelsexperte Matthias Queck vom Marktforschungsunternehmen Planet Retail in den vergangenen Tagen. Alle orientierten sich am führenden Discounter.
Für die über 200 Milchbauern, die zur Zentrale von Aldi Süd gefahren waren, ist der Kampf für höhere Milchpreise mit der Demo nicht zu Ende. «Wenn es nicht zu einer deutlichen Korrektur der Milchpreise kommt, werden wir bald wieder hier sein», sagte Verbands- Chef Decker. Landwirt Naß macht Mut, dass sich immer mehr Milchbauern beteiligten. Die protestierenden Milchbauern gehen nach Ansicht von Rechtsexperten mit manchen Aktionen juristisch ein hohes Risiko ein.
Das Bundeskartellamt hat wegen des Aufrufs zum Milch-Lieferstopp Ermittlungen gegen den
BDM aufgenommen. Es wird geprüft, ob der Tatbestand des Boykottaufrufs erfüllt sei. Humana kündigte unterdessen rechtliche Schritte wegen der jüngsten Blockaden an. (dpa)