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07.02.2011 | 12:32 | Milchkühe 

Über das Leben einer Kuhgreisin

Lüneburg - Thea ist 17 und wird zum 14. Mal Mutter. Höchst ungewöhnlich für eine Kuh in einem deutschen Stall. Thea ist Kuhgreisin - denn meist endet das Leben einer Milchkuh schon im Alter von nur fünf oder sechs Jahren.

Rind
Thea lebt in Barförde. Ihr Stall steht am Deich, dahinter fließt träge die Elbe. Im Gras vor dem Hof ist eine schwarz-weiße Katze auf Mäusepirsch. Kurz blickt sie herüber, dann schleicht sie weiter. Auch bei bedecktem Himmel und winterlich-kahlen Bäumen möchte man bleiben in dem schönen Dörfchen im Landkreis Lüneburg mit seinen ziegelroten Höfen inmitten fetter Wiesen.

Alfred Ritters wohnt hier, der Landwirt hat 80 Kühe. Thea ist sein Lieblingstier. In der Region ist sie bereits eine kleine Berühmtheit, auch das Fernsehen war schon da. Die Schwarzbunte ist 17 Jahre alt, eine Kuhgreisin - geboren am 19. Dezember 1993, dem vierten Advent. Lange her. «In 17 Jahren wächst einem eine Kuh nun mal ans Herz», bekennt Ritters.

Thea hat Glück - ein Großteil der mehr als vier Millionen Milchkühe in Deutschland stirbt jung, fast alle enden beim Schlachter. «17 Jahre ist sehr ungewöhnlich, das erreichen nur ganz wenige Einzeltiere», bestätigt Rinderexperte Jakob Groenewold von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

«Milchproduktion ist Höchstleistung», heißt es bei der Bundestierärztekammer. «Bei der enormen Belastung des Stoffwechsels führen schon geringste Fehler in Management und Fütterung zu Erkrankungen», betont Kammerpräsident Prof. Theo Mantel. Die natürliche Lebenserwartung einer Kuh liege bei etwa 20 Jahren. «Insgesamt hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung einer Milchkuh von früher acht bis zehn auf nur noch fünfeinhalb Jahre verringert, weil vermehrt Krankheiten und Fruchtbarkeitsstörungen auftreten.» Spitzenkühe würden mittlerweile mehr als 14.000 Liter Milch im Jahr geben, die Durchschnittsleistung liege in Deutschland bei etwa 8.000 Litern.

Obwohl Thea den niedersächsischen Durchschnittswert von bereits 8.800 Litern nie erreicht hat, ist Ritters mit ihr hochzufrieden. «Erst vor einigen Tagen wurde sie für 100.000 Kilo Lebensleistung ausgezeichnet», sagt der 54-Jährige stolz. Molkereien rechnen in Kilos statt Litern ab. 100.000 Liter sind mehr als 500 Badewannen voll Milch. «Und: Sie hat den Tierarzt nur ganz selten gesehen», fügt Ritters hinzu. Ein Geheimnis gibt es nicht. «Naja, sie wird natürlich auch ein bisschen mehr verwöhnt als andere, trotz gelegentlichem Altersstarrsinn», ergänzt er verschmitzt.

In das Hof-Idyll am Deich steckt Ritters viel Arbeit, rund ums Jahr, jeden Tag. «So etwa zwölf Stunden im Sommer, im Winter sind es nur zehn», sagt er. «70 Wochenstunden kommen meist schon zusammen. Die Familie muss mitziehen, sonst geht das nicht.» Gleich sitzt er wieder auf dem Trecker.

«Die Arbeit muss Spaß machen, sonst hält man das nicht durch», sagt der Landwirt zum Abschied. Die Freude an seiner Aufgabe ist ihm anzusehen. Eine Frage noch - was wird aus Thea? «Ende Februar oder Anfang März wird sie kalben. Vielleicht kommen in den Jahren danach noch zwei oder drei», hofft Ritters. Und dann? «Sie wird hier auf jeden Fall ihr Gnadenbrot bekommen, Thea wird keiner futtern», verspricht er. (dpa)
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