Der neue bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef wollte durchsetzen, dass die Milchmenge durch bestimmte Aktionen sinkt und damit die Preise zugunsten der Milchbauern steigen. Die Länder drehten den Milchhahn aber noch mehr auf: Sie beschlossen die Umsetzung der EU- Vorgabe, etwas mehr
Milchproduktion zuzulassen als ersten Schritt zum Wegfall der
Milchquote 2015. Damit ließen sie die Forderung von
Seehofer und dem Bundesverband Deutscher
Milchviehhalter platzen. Dabei hatte der neue bayerische Landesvater noch am Vorabend versucht, mehrere unionsgeführte Länder praktisch in letzter Minute umzustimmen.
Schließlich steht Seehofer in der Pflicht bei den rund 100.000 Milchbauern in Deutschland. Bei dem vielfach als
Milchgipfel titulierten Spitzengespräch im Juli brachte er alle an einen Tisch - Länder, Bauern, Handel und Molkereien. Und alle waren sich zumindest öffentlich einig, dass Maßnahmen zur Beschränkung der Milchmenge geprüft werden sollen. Dahinter steckt die ökonomische Binsenweisheit: weniger Menge, mehr Preis. Ob das so einfach geht, bezweifeln viele.
Was wollen die Milchviehhalter? Eine Drosselung der Menge über einen geänderten Faktor bei der Umrechnung von Litern in Kilogramm und ein Ende der Verrechnung von zu viel und zu wenig Milch. Der
Bauernverband hält beides nicht für sinnvoll. «Allein in Deutschland an kleinen Schrauben zu drehen, ändert den Markt grundsätzlich nicht», sagt Generalsekretär Helmut Born. Der niedersächsische Agrarminister Hans-Heinrich Ehlen (
CDU) befürchtet, dass Bauern im Ausland profitieren, wenn die Menge in Deutschland zurückgeht.
Die Milchviehhalter sind enttäuscht. Ihr Lieferstopp ist praktisch verpufft. Vor fünf Monaten gingen tausende Bauern auf die Straße und streikten. Neuer Protest ist nicht ausgeschlossen. «Öl ins Feuer gießen» nennt der Chef des Milchviehhalterverbands, Romuald Schaber, die Bundesratsentscheidung. Die Vorschläge des Verbandes sind nach einer Untersuchung der Universität Gießen nicht wirksam. Künstliche Angebotsverknappungen oder Preisregulierungen seien keine Lösung, argumentieren die Professoren Michael Schmitz und Joachim Hesse.
Warum?
44 Prozent der Milch gehen ins Ausland, 16 Prozent in die Weiterverarbeitung, nur 40 Prozent in den Handel. Die Länder senden damit das Signal: keine zusätzlichen Eingriffe in den Markt. Denn die gibt es. Erst 2015 soll voraussichtlich die europaweite Milchquote auslaufen. Dann soll die Produktionsbegrenzung wegfallen, mit der Milchseen verhindert werden sollen. Die gab es im vergangenen Jahr zwar nicht, auch weil die Nachfrage nach Milchpulver in Asien zunahm. Nun leiden Milchbauern aber unter geringerer Nachfrage, zuviel Angebot und dümpelndem Export.
Die Konsequenz: Die Milchbauern bekommen von den Molkereien weniger Geld und die Ladenpreise für Milch sinken. Jüngstes Beispiel ist der Preisrutsch für Trinkmilch in Discountern und Supermärkten um fast 20 Prozent Anfang dieser Woche. Der Einzelhandel hatte sich beim Milch-Spitzengespräch zu fairen Preisen bekannt. Er betont zugleich: Markt ist Markt.
Doch es gibt noch Hoffnung für die Bauern. Die neue Landwirtschaftsministerin Ilse
Aigner (CSU) berät in der übernächsten Woche auf europäischer Ebene über einen Milchfonds. Sie sieht Signale, dass sich eine Lösung abzeichnet und traut sich Ausdauer beim Verhandeln zu. «Ich bin früher Rennrad gefahren. Ich war eine gute Bergfahrerin.» (dpa)